Die Notfallnarkose

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Für die Narkose des Notfallpatienten gibt es viele und teilweise unübersichtliche Kochrezepte. Philipp möchte euch seine Notfallnarkose vorstellen. Einfach und (fast) universell anwendbar.

Vorraussetzungen:

  • Monitoring (EKG,RR mit kurzem Intervall, spO2, Kapnographie/-metrie)
  • 2 sichere venöse Zugänge
  • Airway-Equipment (siehe kommendes Video „Atemwegssicherung“)
  • Lagerung

Narkoserezepte:

„Quick and dirty“ erwachsener Patient „122 Narkose“:

  • 1 Ampulle Midazolam (5mg) pur
  • 2 Ampullen Es-/Ketamin (100mg Esketamin oder 200mg Ketamin) auf 10ml
  • 2 Ampullen Rocuronium (100mg) auf 10ml
  • in Bereitschaft: 1 Ampulle Akrinor (2ml pur)

Standard-Notfallnarkose (Notfallpatienten ausser akutes kardiales Problem):

  • Midazolam 0,05mg/kgKG
  • Ketamin 2mg/kgKG oder Esketamin 1mg/kgKg
  • Rocuronium 1,2mg/kgKG oder Succinylcholin 1mg/kgKG

80 Kg Patient: 

  • 4mg Midazolam
  • 160mg Ketamin (oder 80mg Esketamin)
  • 100mg Rocuronium oder Succinylcholin

Notfallnarkose „akut kardial“:

  • Midazolam 0,2mg/kgKg
  • Fentanyl 2 Mikrogram/kgKG i.v.
  • Rocuronium 1,2mg/kgKG bzw. Succinylcholin 1mg/kgKG

80kg Patient:

  • 15mg Midazolam
  • 0,2mg Fentanyl
  • 100mg Rocuronium oder Succinylcholin

Sonstiges:

Immer zusätzlich bereithalten: 

  • Katecholamin (z.B. 2ml Akrinor ®, 1mg/100ml Nor-/Adrenalin)
  • Volumen (Ringer-Acetat/Iono-Steril etc.)

Narkoseaufrechterhaltung:

alle 15-20min 5mg Midazolam und 50mg Ketamin oder 25mg Esketamin (alternativ statt Ketamin: Fentanyl).

relevante Nebenwirkungen:

Es-/Ketamin: 

  • Hypersalivation/Erregungszustände; endogene Katecholaminausschüttung – dadurch ggf. erhöhter myokardialer Sauerstoffverbrauch

Succinylcholin:

  • Arrhythmien (Tachykardie, Bradykardie),
  • Kaliumliberation bis Asystolie, Blutdruckstörungen, Muskelschmerzen nach Faszikulationen
  • allergische Reaktionen,Erhöhung des Augeninnendrucks (cave penetrierende Verletzungen), Erhöhung des intragastralenDrucks
  • erhöhter Speichelfluss,erhöhter Kieferdruck (bis zu 60 sec)
  • maligne Hyperthermie

Achtung: Ein kleiner Fehler hat sich im Video eingeschlichen: Esketamin ist nicht das Razemat von Ketamin sondern das S-Enantiomer (die Dosierungsempfehlungen sind von diesem Fehler unbeinflusst!).

Zudem eine Anmerkung zur Nutzung des Wortes „Ketanest“. Damit meinen wir Esketamin (in Deutschland unter dem Handelsnamen Ketanest-S® verkauft).

Quellen:

Die obigen Angaben orientieren sich an der S1 Leitlinie „prähospitale Notfallnarkose“, spiegeln jedoch trotzdem ein persönliches Narkoseregime der Verfasser wieder. Diese Narkose hat für unsere Patienten stets sehr gut funktioniert, für Anwendung und Dosierung kann trotzdem keine Haftung übernommen werden (siehe auch unsere Nutzungshinweise!).

Eine Narkose muss individuell auf den Patienten zugeschnitten und an der Erfahrung des Anwenders orientiert erstellt werden. Insbesondere ausreichende Erfahrung im Atemwegsmanagement und in Narkosekomplikationen müssen gewährleistet sein.

Autor: Philipp Gotthardt

Ich bin begeisterter Notfallmediziner aus Nürnberg. Ich arbeite in der Notaufnahme, Intensivstation und als Notarzt sowie ärztlicher Dozent und versuche mich mit Nerdfallmedizin an der FOAMed Welt zu beteiligen.

19 Kommentare zu „Die Notfallnarkose“

  1. Hallo Nerdfall-Team

    Vielen Dank für diesen wertvollen Beitrag. Ich hatte die letzten Dienste zwei mal einen Patienten im Koro mit einem kardiogenen Schock bei STEMI. Beide Patienten hatten nach Gabe der Narkosemedikamente einen Herzkreislaufstillstand. Ich stelle mir deshalb die Frage wieso man nicht mit Es-/Ketamin einleiten soll. In eurem Text schreibt ihr auf Grund der endogenen Katecholaminausschüttung und dadurch ggf. erhöhter myokardialer O2-Verbrauch. Wenn ich nun aufgrund der Einleitung die Katecholamingabe sowieso erhöhen muss, also auch ein myokardialen O2-Verbrauch herbeiführe, könnte ich doch mit der Gabe von Es-/Ketamin die Nor-/Adrenalin-Menge auch so reduzieren. Nicht?

    Danke jetzt schon für eure Antwort, liebe Grüsse Sandra

    1. Hallo Sandra,
      da hast du meiner Ansicht nach Recht, der Argumentation würde ich zustimmen – ich kenne zumindest keine Daten, dass Esketamin hier das Outcome verschlechtern würde (aber ehrlicherweise auch keine „vorteilhaften“ Daten.
      Ein kardiogener Schock ist natürlich oft eine Worst-Case Situation bei der Narkoseeinleitung – ein „physiologisch schwieriger Atemweg“. Hier gibt es natürlich keine Patentrezept (bzw. könnte da sicherlich jemand aus der Kardio-Anästhesie noch viel bessere Tipps geben) – für mich gilt bei so heiklen Fällen immer: Möglichst optimale Vorbereitung – wenn irgendwie möglich „Resuscitate before Intubate“ also laufende Katecholamine, Arterie, eher initial mit geringeren Dosierungen arbeiten.

  2. Hallo.
    Alles schön aufgearbeitet!
    1a
    Allerdings kann ich über euren Link die S1 Leitlinie nicht öffnen. Evtl könnt ihr das nochmal checken.

  3. Super Übersicht! Vielen Dank dafür!
    Eine Frage habe ich und zwar steht oben bei der Standard-Notfallnarkose für Midazolam die Dosierung 0,05mg/kgKG, in der Handlungsempfehlung „prähosp. Notfallnarkose Tabelle 13 Midazolam“ steht hingegen zur Narkoseeinleitung: 0,15-0,2 mg/kgKG.
    Wird Midazolam, wenn es mit Es-/Ketamin kombiniert wird, niedriger dosiert als wenn ich in Kombination mit Fentanyl einleiten würde???

    1. Hi Florian! Vielen Dank!

      Tatsächlich empfehlen wir (persönlich) eine etwas geringere Dosierung bei der Kombination von Midazolam mit Ketamin als in der Kombination Midazolam + Fentanyl. Das ist in der Handlungsempfehlung teilweise angedeutet (bei den Narkoserezepten wird meistens 7mg Midazolam beim 70kg-Patienten empfohlen, in der Übersicht – wie du bereits erwähnt hast – steht 0,15-0,2mg/kg – das wären dann ab 10mg Midazolam ).

      Mein persönliches Konzept:
      Bei einer Narkose, die primär Fentanyl + Midazolam (und ein Relaxans) nutzt, wird Midazolam wegen seiner sedierenden bzw. in höherer Dosierung narkotisierenden Wirkung genutzt, während Fentanyl primär analgetisch wirkt.
      Bei einer Ketamin-basierten Narkose kommt Analgesie und Sedierung von Ketamin, die Midazolam-Gabe soll hier vor allem den „Bad Trip“ durch Ketamin vermeiden.

      Wie sind deine Erfahrungen?

  4. Hallo,
    eine kurze Anmerkung zum Thema Racemat. Ketamin beinhaltet beide Enantiomere (sowohl das R- als auch das S-Ketamin), ist somit also, anders als im Video beschrieben, ein Racemat. Das S-Ketamin (oder Ketanest S) besteht aus nur einem Enantiomer, nämlich dem Eutomer (=pharmakologisch wirksames Enantiomer) und ist somit kein Racemat. Das R-Ketamin wäre das Distomer (=das Enantiomer, welches nicht die gewünschte pharmakologische Wirkung vermittelt.

    1. Hi Pharnikki! Danke für deinen Kommentar – du hast völlig recht. Wir haben dazu auf Youtube bereits kurz nach Veröffentlichung eine Korrektur ergänzt (das Video selbst können wir leider nicht mehr ändern ohne alles zu löschen). Hier auf der Website hat dieser Hinweis aber gefehlt – das habe ich jetzt hinzugefügt.
      Danke nochmals für die genaue Durchsicht und den Hinweis! 🙂

  5. Vielen Dank, sehr schöner Einstieg in das wichtige Thema.
    Anmerkung, ihr sprecht von Ketanest (Ketamin) meint in dem Moment aber Ketanest S (Esketamin).
    Grüße!

    1. Hallo Markus, danke für den Hinweis. Du hast völlig Recht – wir sprechen von Ketamin einerseits und Esketamin andererseits. Der Handelsname von Esketamin ist u.a. Ketanest-S. Das kann verwirrend sein – deshalb wird oft in der schnellen Sprache von Ketamin VS Ketanest (Esketamin) gesprochen. Meines Wissens gibt es in Deutschland kein Präparat von Ketamin, dass den Handelsnamen Ketanest trägt. Oder gibt es bei euch wirklich Ketanest und Ketanest-S? Vielen Dank nochmal für deinen Hinweis!

      1. Wir fahren in Riesa auf alle Rettungsmittel Ketanest S (z.b. 25mg/5ml)
        Wie kann ich dir ein Bild davon schicken ?

      2. Das meinte ich. Es gibt meines Wissens kein Präparat „Ketanest“ (mit Wirkstoff Ketamin) am deutschen Markt – lediglich Ketamin (Wirkstoff und Handelsname) oder eben Esketamin (Handelsname Ketanest S, umgangssprachlich auch als „Ketanest“ bezeichnet, wie bei uns im Video). Das von dir erwähnte Ketanest-S kenne ich also auch (brauchst mir daher nicht zu schicken).
        Fazit: Wenn wir im Video von Ketanest sprechen. meinen wir ESKETAMIN. Wenn wir von Ketamin sprechen, meinen wir Ketamin. 🙂

  6. Hey super Video aber eine Frage bleibt für mich offen Reden wir von 112 Narkose wie im Text oder von 122 Narkose wie im Video? Bitte um auf Klärung. Aber bitte mehr von den Videos

    1. Finde das Bild von Joachim Unger wirklich sehr schön 🙂 basiert wie unser Video auch auf der S1-Leitlinie von Bernhard et al.
      Danke für die Mail – falls du noch keine Antwort bekommst hast, kommt die in Kürze! Sonographie in der Notaufnahme aber auch Präklinik ist ein super Thema und sehr sehr gute Idee!
      Wir planen da schon eine ganze Reihe von Videos dazu!

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