“Der Patient sieht schlecht aus!“ – wenn ein erfahrener Kollege mir das sagt, dann schaue ich lieber gleich nach. Doch woran erkennen wir kranke Menschen unterbewusst? Das „Eyeballing“ findet unterbewusst statt und wir nehmen dabei insbesondere das Hautkolorit und die Atemfrequenz des Gegenüber wahr.
In dieser kurzen Folge möchten wir nochmal im Detail auf Atemfrequenz und das sogenannte „Mottling“ eingehen:
Atemfrequenz:
Die Atemfrequenz spiegelt sich in verschiedenen Risikoklassifikationen wieder (z.B. CRB 65, qSOFA) – Grund dafür ist der Zusammenhang zwischen erhöhter Atemfrequenz und erhöhter Mortalität.
Eine Atemfrequenz über 20/min muss als Warnzeichen für einen potentiell gefährdeten Patienten erkannt werden.
Der Atemantrieb wird durch den paCO2 und den paO2 im Blut reguliert. Hypoxämie, Hyperkapnie aber auch metabolische Azidose (z.B. durch Laktatanstieg oder erhöhten Metabolismus) erhöhen die Atemfrequenz und das Atemzugvolumen.
Die spO2 Sättigung spiegelt nicht die Ventilation des Patienten wieder und kann die Atemfrequenz nicht ersetzen!
Bestimmung der Atemfrequenz:
Optimaler Weise wird die Atemfrequenz über 60s ausgezählt, kürzere Auswertungszeiträume verringern die Genauigkeit. Impendanzabhängige Messmethoden weisen große Ungenauigkeiten bedingt durch Bewegungsartefakte auf.
Mottling bzw. Marmorierung:
Im Rahmen eines Schockgeschehens kommt es durch eine zunehmende Zentralisierung des Blutes zu verminderter Hautdurchblutung. Hierdurch entsteht eine charakteristische Hautverfärbung, häufig als Marmorierung oder Mottling bezeichnet.
Das Ausmaß der Marmorierung korreliert mit der Überlebenswahrscheinlichkeit in der Sepsis und wurde daher im Mottling-Score in Studien standardisiert.
Die Marmorierung beginnt dabei im Bereich der Knie und breitet sich entlang der Beine über den gesamten Körper aus. Es lohnt sich also einmal mehr „keine Diagnose durch die Hose“ zu stellen.
Um die periphere Durchblutung zu bestimmen, kann man auch schnell die ReCap Zeit bestimmen, ein Grenzwert wäre hier 2sek – viel länger sollte die Recap Zeit bei gesunden Menschen nicht dauern.
Die Recap Zeit wird am am besten auf der Kniescheibe getestet. In der Praxis bietet sich zur schnellen orientierenden Messung aber auch das Nagelbett der Finger an (Achtung, kalte Finger können auch bei gesunden Patienten eine verlängerte Recap Zeit aufweisen.
Zusammenfassung:
- Eine Atemfrequenz über 20/min ist ein wichtiges Warnsignal. Die Atemfrequenz ist der erste Vitalparameter, der sich bei kritischen Patienten verändert
- Die Marmorierung der Haut ist auch ein wichtiges Warnsignal, hier lohnt sich der Blick auf die Beine des Patienten.
- Wenn Atemfrequenz erhöht, oder periphere Durchblutung vermindert sind – unbedingt den Patienten im Blick behalten und die Warnzeichen bewusst kommunizieren und ernst nehmen!
Quellen:
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18513176
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5667270/
http://www.youngemaustria.org/data/2018/02/mottling-score-sepsis/
Hallo Bernhard,
danke sehr – das freut uns! 🙂
Die Pathophysiologie von Mottling ist (zumindest nach unserem Wissen) nicht vollständig geklärt. Es geht hier um eine komplexes Zusammenspiel aus Marko- und Mikroperfusion, Gefäßverteilung etc.
Hier mal noch ein gutes Bild, aber auch ohne konkrete Erklärung (es wird allerdings erwähnt, dass Mottling meist an den Knien, aber auch an den Fingern und Ohren auftritt): https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMicm1602055
Und hier eine etwas abgefahrene Arbeit, die versucht Mottling etwas genauer zu erforschen: https://annalsofintensivecare.springeropen.com/articles/10.1186/2110-5820-3-31
Hey, erstmal vielen Dank für all eure Videos und Erklärungen – bin ein absoluter Fan (geworden) 🙂
Zur Marmorisierung der Haut hab ich jedoch eine kleine Verständnisfrage – wieso werden die Knie untersucht bzw. beginnt die Marmorisierung an den Knie-en? Wenn es ein Problem der Mikrozirkulation kommt und der Körper zentralisiert, wird nach meinem Verständnis das Mottling generell an den unteren Extremitäten (Unterschenkel, Füße) besser zu sehen sein.
Vielen Dank + LG, Bernhard