NERDfacts Folge 1/2019

Update Atemwegsmanagement in der Notfallmedizin

Das Atemwegsmanagement gehört zu den Kernkompetenzen eines jeden Notfallmediziners, egal ob prä- oder innerklinisch. Die S1-Leitlinie zum prähospitalen Atemwegsmanagement wurde vor kurzer Zeit aktualisiert. Die wichtigsten Neuerungen haben wir für Euch in der ersten Folge der NERDfacts zusammengefasst.

Das pdf zu dieser Folge findet Ihr hier:

Fact 1 – Adäquate Präoxygenierung!

Ist eine invasive Atemwegssicherung notwendig, so sollte beim spontan atmenden Patienten mit möglichst hoher fiO2 ausgiebig – das heißt über mehrere Minuten – präoxygeniert werden. Hierdurch wird das Residualvolumen mit Sauerstoff aufgefüllt und Stickstoff ausgewaschen. Dies verschafft dem Patienten eine größere Sauerstoffreserve und man hat mehr Zeit bei der Sicherung des Atemweges. Hierdurch kann eine Hypoxie deutlich hinausgezögert werden.
Die Präoxygenierung kann z.B. mit einer dicht sitzenden Maske und Reservoir(!) erfolgen oder aber auch mittels einer nicht invasiven Ventilation (NIV). Hierdurch wird eine hohe fiO2 erreicht, die bei der NIV-Beatmung bei bis zu 1,0 liegt.
Wird ein Wandanschluss für die Sauerstoffversorgung verwendet (z.B. bei einer O2-Maske), so sollte der Flow maximal aufgedreht werden. Hier sind deutlich mehr als 15l/min möglich. Auch wenn die Anzeige meist bei 15l/min aufhört, einfach weiter aufdrehen. So erreicht man einen deutlich höheren Flow. Bei den meisten tragbaren Geräten oder in den meisten verbauten Sauerstoffversorgungen in den RTWs ist dies leider nicht möglich.
Eine Zwischenbeatmung z.B. mit einem Beatmungsbeutel sollte wenn möglich aufgrund des Aspirationsrisikos vermieden werden. Bei respiratorisch insuffizienten Patienten kann man manchmal aber nicht darauf verzichten, um die Sättigung bis zur Atemwegssicherung aufrecht zu erhalten.
Mehr dazu findet Ihr auch im Video mit Tobi Becker.

Fact 2 – Intubation primär mit Video und Macintosh!

Bei einer Notfallintubation sollte man primär auf ein Videolaryngoskop mit Macintosh ähnlichem Spatel zurückgreifen. Dies ermöglicht sowohl die direkte als auch die indirekte Laryngoskopie. Ist die Optik durch Blut oder andere Sekrete verdeckt, ist mit einem Videolaryngoskop die Sicht auf die Epiglottis kaum mehr möglich. Hat man einen Mcintosh ähnlichen Spatel, besteht aber weiterhin die Möglichkeit der direkten Laryngoskopie wie bei einem „normalen“ Laryngoskop. Hat man ein Videolaryngoskop mit stark gekrümmten Spatel, empfiehlt es sich die speziell hierfür gebogenen Führungsstäbe zu nutzen, da ein Lenken des Tubus durch die Stimmritze sonst sehr schwierig sein kann.

Fact 3 – 100 Intubationen + 10 pro Jahr!

Die einschlägigen Leitlinien und Fachgesellschaften wie die DGAI fordern, dass nur derjenige eine endotracheale Intubation durchführen sollte, der 100 Intubationen unter Anleitung durchgeführt hat. Erst dann ist eine ausreichende Lernkurve erreicht, um eine hohe Erfolgsrate beim ersten Intubationsversuch zu haben. Jeder weitere Versuch erhöht die Komplikationsrate. Zudem sollte die Intubation mindestens 10x jährlich durchgeführt werden, um eine ausreichende Routine zu gewährleisten. Andernfalls sollte primär auf einen alternativen Atemweg (z.B. Larynxmaske) ausgewichen werden.

Fact 4 – Extraglottischer Atemweg der 2. Generation!

Wird ein extraglottischer Atemweg (EGA) eingesetzt (z.B. Larynxmaske oder Larynxtubus), so sollten Devices der 2. Generation verwendet werden. Diese haben einen zusätzlichen Kanal, über den ösophageal Luft aus dem Magen abgesaugt werden kann, da bei EGA immer ein gewisser Teil der Luft an der Trachea vorbei über den Ösophagus in den Magen gelangt. Hier kann es zu einem abdominellen Kompartment mit fatalen Folgen für den Patienten kommen. Der inspiratorische Spitzendruck sollte nicht zu hoch sein, um eine Magenüberblähung zu vermeiden. Vorsicht vor allem auch bei der manuellen Beatmung mittels Beatmungsbeutel. Hier können schnell hohe Drücke entstehen. Außerdem sollte auch bei EGA ein Cuff-Druck gemessen werden (in der Regel maximal 60cmH2O), um eine Zirkulationsstörung v.a. der Zunge zu verhindern. Diese Zirkulationsstörung kann andernfalls zu einer massiven Zungenschwellung führen.

Fact 5 – Kinder mit Maskenbeatmung Larynxmaske / Rachen-CPAP!

Bei Kindern ist glücklicherweise selten eine Atemwegssicherung im Notfall notwendig. Bei respiratorischer Insuffizienz lassen sich Kinder häufig gut mit einer einfachen Masken-Beutel-Beatmung oxygenieren. Hierzu sollte der Kopf des Kindes in neutraler Stellung gelagert werden. Mit 2 Helfern kann der C-Griff optimiert werden, um eine suffiziente Ventilation zu gewährleisten. Zusätzlich kann ein passender Guedeltubus eingesetzt werden. Alternativ sollte bei Kindern die Larynxmaske eingesetzt werden. Ebenfalls möglich ist die sogenannte Rachen-CPAP-Beatmung. Hierzu wird ein Tubus über die Nase bis in den Rachen eingeführt und der Mund verschlossen. Nun kann das Kind hierüber ventiliert werden. Eine endotracheale Intubation sollte den sehr erfahrenen Anwendern vorbehalten bleiben.

Beim Atemwegsmanagement sollte immer ein Plan B (und ggf. C) vorbereitet werden. Hierzu kann man sich z.B. am Algorithmus der S1-Leitlinie orientieren.

Obligat bleibt bei jeder Atemwegssicherung die Kapnographie/-metrie!

Algorithmus aus S1 Leitlinie prähospitales Atemwegsmanagement (Link)

Quellen und weiterführende Infos:

Handlungsempfehlungen für das präklinische Atemwegsmanagement

S1-Leitlinie Prahospitales Atemwegsmanagement

Video mit Tobi Becker zum Thema Präoxygenierung

Video Airwaytricks

Schalk R et al. Anwendung des Larynxtubus in der Notfallmedizin – Komplikationen und Fallstricke, Notarzt 2018; 34: 124–131

Timmermann A, Russo SG. Neubewertung extraglottischer Atemwegshilfsmittel in der Notfallmedizin, Notfallmedizin up2date 2017; 12: 143–155


Wir sind sehr gespannt wie Euch die NERDfacts gefallen. Für Kommentare, Feedback und Kritik sind wir dankbar! Also schreibt uns. Wir freuen uns! 🙂

Autor: Tim Eschbach

Ich bin leidenschaftlicher Notfallmediziner und Notarzt. Ich engagiere mich für die Fort- und Weiterbildung im Bereich der inner- und präklinischen Notfallmedizin, insbesondere im Bereich SOPs, CRM und Fehlerkultur.

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