NERDfacts Folge 3/2019: Schädelhirntrauma

Das Schädelhirntrauma ist Todesursache Nr. 1 bei jungen Erwachsenen in Industrienationen. Dabei bleibt auch trotz ausgiebiger Forschung einmal zerstörtes Hirngewebe verloren. Der Fokus muss daher auf dem noch intakten, aber gefährdeten Gewebe um den primären Hirnschaden herum liegen. Wir haben euch ein paar Fakten zum SHT zusammengesucht und räumen mit einigen Mythen auf!

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Ketamin bei SHT

Ketamin ist super – auch bei SHT! Der weit verbreitete Mythos, dass Ketamin den Hirndruck steigert, ist mittlerweile vielfach widerlegt. Im Gegenteil, als Narkotikum könnte es sogar einen hirnprotektiven Effekt haben. Insbesondere sollte aber beachtet werden, dass Ketamin zuletzt auch wegen seiner relativ kreislaufstabilen Wirkung ideal für Patienten mit SHT geeignet ist. Nachteilig kann Ketamin zur oberflächlichen Analgosedierung bei SHT sein, lediglich in diesem Rahmen wurden insbesondere bei hustenden Patienten erhöhte Hirndrücke gemessen.

Hier ist dazu eine tolle Quelle von FOAMina!

Hirndrucksenkung

Mannitol und hypertone Natriumlösung gegen Hirndruck!

Ist der Hirndruck erstmal erhöht, dann kann dieser kurzzeitig mit Mannitol oder hypertoner Kochsalzlösung gesenkt werden. Hierbei wird der osmotische Effekt genutzt um Flüssigkeit aus dem Hirnparenchym zu entziehen. Beachtet werden sollte in diesem Kontext aber ein Reboundeffekt. Hat sich Natrium/Mannitol erstmal im Hirn angereichert, kann ein Hirnödem folgen. Diese Therapiemöglichkeit ist also hauptsächlich als Überbrückung zur definitiven Versorgung (Kraniektomie) zu verstehen.

Hier mehr Informationen von NewsPapers.eu und noch ein interessantes Paper.

Hyperventilation gegen Hirndruck?

Die oft erwähnte Hyperventilation bei schwerem Schädelhirntrauma zur Senkung des Hirndrucks stellt eine absolute Rescue Maßnahme dar. Angestrebt werden sollte ein pCO2 von 30-35mmHg für 15-30min. Hintergedanke ist die Ausnutzung der cerebrovaskulären Autoregulation. Eine sinkende CO2 Konzentration im Blut führt zu einer Vasokonstriktion und damit zu einer Abnahme des cerebralen Blutvolumens – damit bleibt mehr Platz für die Gehirnmasse. Dieser Effekt geht natürlich immer mit einer Abnahme der Durchblutung einher, deswegen ist die Hyperventilation ein zweischneidiges Schwert zur Senkung des intrakraniellen Drucks.

Dieses Paper beschreibt sehr schön die Probleme, die durch Hyperventilation entstehen. Als Grundregeln zur Hyperventilation werden daher folgende Tipps gegeben:

  • keine prophylaktische Hyperventilation
  • keine Hyperventilation wenn keine intrakranielle Blutung vorliegt
  • keine Hyperventilation über längere Zeiträume
  • möglichst keine Hyperventilation in den ersten 24h nach SHT (in dieser Zeit ist die Ischämiegefahr hoch)
  • möglichst die zerebrale Oxigenierung und die Hyperventilation engmaschig messen und kontrollieren
  • Hyperventilation nicht schlagartig beenden sondern ausschleichen (cave Rebound)

Lagerung

Die lange dogmatisch beworbene Oberkörperhochlagerung bei SHT hat weniger Evidenz, als man immer glaubt. Aktuell ist die Studienlage unklar, vermutlich schadet die Oberkörperhochlagerung nicht und sollte angewendet werden. Einen riesigen Nutzen kann man allerdings mit aktuellen Studien auch nicht ableiten.

Neurologische Untersuchung

Die GCS ist DER Score schlechthin. Jeder kennt ihn. Schon seit 1972 gibt es ihn. Zeit also für ein Update. Probleme des GCS liegen in der korrekten Beurteilung und vor allem in der Tatsache, dass die Pupillen keine Berücksichtigung finden. Seit Einführung der neuen GCS-P ist das anders. Geändert hat sich vorallem die Einteilung der verbalen Antwort und die Ergänzung der Pupillenreaktion. Hier seht ihr eine tolle Graphik von emottawablog.com (neue Aspekte sind in rot dargestellt):

Quelle: https://emottawablog.com/2018/07/gcs-remastered-recent-updates-to-the-glasgow-coma-scale-gcs-p/

Hier noch ein paar weitere super Quellen:

Hier unsere Videos zur SHT in Präklinik und Klinik

AWMF Leitlinie SHT 2015 

Update zu SHT 2018 

Autor: Philipp Gotthardt

Ich bin begeisterter Notfallmediziner aus Nürnberg. Ich arbeite in der Notaufnahme, Intensivstation und als Notarzt sowie ärztlicher Dozent und versuche mich mit Nerdfallmedizin an der FOAMed Welt zu beteiligen.

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