Immer öfter stellen wir uns die Frage nach der ethischen Sinnhaftigkeit unseres Medizinischen Handelns. Gerade bei Reanimationen ist initial die Prognose zur Wiederherstellung eines lebenswerten Zustandes kaum abzuschätzen, trotzdem tut man sich teils mit dem Beginn oder der Fortführung einer Reanimation sehr schwer und auch der Abbruch nicht leicht.
Ein aktueller Artikel im Ärzteblatt hat das Thema beschrieben. Natürlich gibt es keine griffige Komplettlösung für alle Fragen des Alltags, trotzdem werden einige wesentliche Aspekte besprochen.
Einerseits wird der Beginn einer Reanimation bei unklarer Situation immer empfohlen. Diese Empfehlung ist in der Praxis oft fragwürdig. Rechtlich wohl unzweifelhaft richtig, ist ethisch trotzdem bei bekanntermassen zB schwer dementen Patienten mit langer Betträgrigkeit oder infauster Grunderkrankung im Endstadium ein Beginn der Reanimation bei eindeutig Vorliegender Faktenlage fragwürdig.Hier wollen wir nur zum Nachdenken anregen, jeder hat sicherlich eine eigene Meinung zu diesem Thema.
Im Zweifel beginnt man aber immer die Reanimation und verschafft sich Informationen.Ein Abbruch der Reanimation kann dann anhand der TOR Kriterien entschieden werden.
Diese sind:
1. initiale Asystolie
2. unbeobachteter Herz-Kreislauf-Stillstand
3. Alter ≥ 81 Jahre
4. keine Laienreanimation oder kein AED genutzt vor Eintreffen des Rettungsdienstes
5. kein ROSC nach 14 Minuten Reanimation durch den Rettungsdienst
Sind mehrere der Kriterien erfüllt, so erscheint ein Abbruch zumindest plausibel und sollte in Betracht gezogen werden. Allerdings können auch bei mehren vorliegenden Kriterien schlagende Argumente gegen einen Abbruch sprechen – wieder also nicht ganz griffig aber eine gute Hilfe.
Wir fanden den Artikel ganz schön weil er zum Nachdenken zu diesem Thema anregt. Vermutlich muss man zu diesem Thema immer wieder reflektieren – eine differenzierte Grundhaltung kann aber im Ernstfall dann bei der Entscheidung helfen.
ist nur tot, wer anreanimiert und tot ist?
Das Thema ist hoch bedeutsam und den Autoren Jochen Hinkelbein und Bernd W. Böttiger ist für den Beitrag gar nicht genug zu danken. Nach meiner Erfahrung fällt es den neueren Generationen an Notärzten und Rettungsfachpersonal zunehmend schwerer, rationale Entscheidungen zum Beenden oder nicht Beginnen einer Reanimation herbeizuführen. Viele lassen sich von Ängsten und Unsicherheit leiten und nicht von medizinischem Sachverstand oder auch dem mutmaßlichen oder tatsächlichen Patientenwunsch. Die Ängste sind m.E. dabei vor allem rechtlicher Natur. Wir adressieren dieses Thema seit Jahren im ALS Provider Kurs des European Resuscitation Council. Hier ist in der Station “Entscheidungsfindung” zunehmend mehr zu erkennen, dass sich Teilnehmer*innen mit der Entscheidung zum Abbruch einer Reanimation häufig sehr schwer tun. Dies wird m.E. noch dadurch begünstigt, dass heute zunehmend mehr die Option der mechanischen Reanimation verfügbar wird und auch Therapieoptionen wie eCPR in der aktuellen Diskussion für spezielle therapierefraktäre Kreislaufstillstände immer mehr propagiert werden. Dabei fehlt in den meinen Augen manchmal der klare Blick, welche Patienten überhaupt für eine mechanische CPR und einen Transport zum Herzkatheter oder auch zur Anwendung einer ECLS in Frage kommen. Das sind sicher nicht Patienten nach unbeobachtetem Stillstand, primärer und fortbestehender Asystolie und prolongierter Reanimation mit Ausschluss der reversiblen Ursachen. Somit wird in vielen Fällen zu lange und zu viel reanimiert und die Entscheidungsfindung nur in die Klinik verlagert, in der Hoffnung, dass die Entscheidung dort jemand anders trifft. Im Zuge einer immer älter werdenden Gesellschaft mit vielfältigen Erkrankungen wird sich die Frage zukünftig noch viel häufiger stellen, ob eine Reanimation angezeigt ist, oder ob vielmehr eine End Of Life Situation eingetreten ist. Diese Entscheidung muss ein gutes Rettungsteam treffen können, da dies genau so zu unserer Arbeit gehört, wie andere notfallmedizinische Interventionen. Daher muss das Thema deutlich mehr in den Focus der Aus-und Fortbildung von Ärzten, Pflegekräften und Rettungsfachpersonal gestellt werden. Bei den ganzen vielfältigen und immer besser werdenden Therapieoptionen in der Notfallmedizin dürfen wir nicht vergessen und verdrängen, dass das Leben eben auch endlich ist.
Lieber Bernhard, vielen Dank für den Kommentar – wir stimmen dir vollkommen zu.
Eine Reanimation darf niemals eine Verlagerung der Entscheidung zum Ziel haben und das gesamte Thema wird immer wichtiger in Bezug auf den demographischen Wandel.
Viele Grüße
Ja!! Vielen Dank für den tollen Kommentar!