Aortendissektion – brandgefährlich und gar nicht so selten…

Die akute Aortendissektion ist ein dramatischer, lebensbedrohlicher Notfall. Wegen der oft unspezifischen Symptomatik gilt die Dissektion als “Chamäleon” der Notfallmedizin. Wir haben im neuen Video einige Tipps zusammengefasst – welche Hinweise uns auf die richtige Spur locken können und welche Diagnostik und Therapie rasch erfolgen sollte.

Aortendissektion Typ A (links und mitte) und Typ B (rechts) – Quelle: Leitlinie ESC 2014

Definition:
Einriss / Verletzung der Aorta (Blutung in media) entweder im Bereich der Aorta Ascendens (sog. “Typ A“), der Aorta descendens (thorakal, sog. “Typ B“) bzw. Aorta abdominalis supra/infrarenal). Klassisch (Klasse 1) mit zwei Lumen, als intramurales Hämatom (Klasse 2) aber auch diskret mit Vorwöbung der Aortenwand (Klasse 3) Ulcera (Klasse 4) oder iatrogene Verletzung (bsp durch Katheter, Klasse 5).

ANAMNESE: 

Das akute Aortensyndrom ist das “Chamäleon” der Notaufnahme. Auch wenn man primär bei thorakalen Beschwerden an die Dissektion glaubt, können Patienten auch lediglich synkopieren oder “nur” über Luftnot klagen, ganz eindeutig klassische Symptome gibt es nicht.

Ein wichtiger Merkspruch “Thoraxschmerz plus eins” – also thorakale Beschwerden mit einer zusätzlichen Symptomatik (oder unklare Symptomatik plus Thoraxschmerz):

  • Neurologische Symptome (auch wenn bereits nicht mehr vorhanden), insbesondere Lähmungen oder andere Beschwerden wie beim Schlaganfall
  • Synkope
  • Schmerzen im Bauch, Rücken oder den Beinen (auch intermittierend)

Anamnestische Hinweise können noch sein:

  • Plötzlicher Beginn
  • als “reißend” oder “scharf” (englisch “sharp”) beschriebener Schmerz
  • Ausstrahlung in Bein(e), Rücken, Bauch
  • “schlimmster jemals verspürter Schmerz”
  • Z.n. Herzchirurgischen Eingriffen oder Aortendissektion
  • Familiäre Häufung von Aortensyndromen
  • Bekanntes Marfan-Syndrom
  • chron. Kokain / Amphetaminkonsum

! Thoraxschmerz plus eins – Eins plus Thoraxschmerz !

Drei Fragen: 

  1. Schmerz Plötzlich?
  2. Reißend/Scharf? 
  3. Ausstrahlung Rücken/Bauch/Beine?

DIAGNOSTIK:

In der Untersuchung: ACHTUNG! Nur ca. 15% der Patienten mit Aortendissektion haben eine Blutdruckdifferenz >20mmHg der Arme! (Bei Thoraxschmerz PLUS RR-Differenz jedoch unbedingt daran denken)

  • 12-Kanal-EKG „grob”    
    • 1/3 unauffällig
    • 1/3 unspezifische ST-/T-Veränderungen
    • 1/3 Ischämiezeichen (auch teils intermittierend)
  • Echo    – Neue Aortenklappeninsuffizienz (“einfach mal Farbe drauf!”)    – Perikarderguss?    – Erweiterung Aortenwurzel hinter Aortenklappe?    – Dissektionsmembran suprasternal? Abdominal?
  • Bei relevantem Verdacht
    • PRÄklinisch Transport mit Herz-/Gefäßchirurgisches Zentrum unter Vorankündigung!
    • Innerklinisch: Notfall-CT mit Kontrastmittel = Goldstandard, kein Labor etc abwarten!

Checkliste – Diagnostik beim instabilen Pat.:

  • EKG- Echo (schnellstmöglich)
  • – dann TEE oder CT

Checkliste – Diagnostik beim hämondynamisch stabilen Pat.:

  • Labor inkl Troponin + D-Dimer + Crea
  • BGA (venös ausreichend)
  • EKG
  • rasch (Bedside-) Echo & fokussierter Schall der abd. Aorta
  • – dann TEE oder CT
  • Weitere Diagnostik:
    • Rö Thorax hinweisend
    • D-Dimere hinweisend – ziemlich sensitiv (96%), aber kaum spezifisch (64%)– beide NICHT ausschliessend!

THERAPIE:

Ziel: Blutdruck und kardiale Kontraktilität reduzieren um Scherkräfte an Aorta zu minimieren. Ziel-RR 100-120mmHg, Ziel-HF <60/min

Checkliste – Therapie: 

  • Analgesie i.v. zB mit Morphin / Fentanly
  • Betablocker i.v. (z.B. Metoprolol Boli je 3-5mg oder Esmolol Perfusor)
  • ggf zusätzlich Urapidil-Boli (je 5-10mg)
  • ggf zusätzlich Anxiolyse via Benzodiazepine (z.B. Midazolam 1-2mg Boli)
  • Ggf dann Nitro-Perfusor nach Rücksprache Chirurgie (zuerst Betablockade um Reflextachy zu vermeiden!)
  • Zusätzlich:
    • invasive Blutdruckmessung (Arterienanlage „dort wo die bestePerfusion ist, oft A.rad. rechts), der relevante Blutdruck ist der hohe!
    • bei hämodyn. relevanter Perikardtamponade insbes. falls Transport notwendig / geplant überbrückend Perikardpunktion (mit Katheter – z.B. Pigtail oder einfach 1-2 Lumen ZVK), immer wieder Blut abziehen (nach art. RR und Klinik)

Am gefährlichsten ist Dissektion Typ A -> Sofortige Not-OP Indikation! Typ B primär oft initial konservativ mit Blutdruckmanagement und Analgesie unter engmaschiger Intensivüberwachung, im Verlauf teils endovaskulär.

Infografik:

Download als PDF hier.

Quellen:

Autor: Martin Fandler

I like EM, critical care, prehospital EM, medical education and #FOAMed too.

11 Gedanken zu „Aortendissektion – brandgefährlich und gar nicht so selten…“

  1. Kleiner Tipp aus der kardiochirurgischen ITS: wenn eine Typ-A-Dissektion mit Erweiterung des Bulbus und daraus resultierender hochgradigen Aorteninsuffizienz vorliegt, wäre ich mit der beta-Blocker-Therapie eher vorsichtig, da diese Patienten eine Bedarfstachykardie haben können und eine zu starke Senkung der Herzfrequenz in diesem Fall die kardiale Dekompensation mit Vorwärts- und Rückwärtsversagen bewirken kann.

    1. Hallo Nerd,
      danke für den spannenden Kommentar. Wie geht ihr dann auf eurer ITS mit Tachykardien um? Probatorisch kleine Dosis von kurzwirksamen Betablockern?
      Experten-Infos helfen uns immer sehr weiter, deshalb schonmal Danke! 🙂

  2. Vielen Dank für den großartigen Beitrag!
    Habt ihr eine Idee, weshalb Kokain-/Amphetaminkonsum eine Aortendissektion begünstigen können? Das scheint ja tatsächlich ein häufiges Phänomen zu sein, was mir jedoch leider nicht so richtig einleuchtet.

  3. Hallo ihr Beiden,
    erstmal ein Rießenlob: Die Videos und Euer Blog sind fantastisch! Fachlich super und auch ausführlich, aber dabei so prägnant auf den Punkt gebracht, dass wirklich die Infos hängen bleiben!
    Bei den Shownotes zur Dissektion ist mir ein kleiner Fehler aufgefallen, da schreibt ihr “invasive Blutdruckmessung (Arterienanlage „dort wo die beste Perfusion ist, oft A.rad. rechts), der relevante Blutdruck ist der hohe!”
    Im Video sprecht ihr aber von der linken Seite. 🙂
    Ansonsten bitte weiter so, ich freue mich auf alle weiteren Videos und Folgen und habe euch natürlich abonniert ;).
    An Themen wünschen würde ich mir:
    – Krampfanfall präklinisch/Status epilepticus – wenn der Pat. noch nicht das krampfen aufgehört hat, wenn der NAW kommt
    – Exitus präklinisch, was ist zu beachten/vorläufige Todesbescheinigung/Polizei etc. -> hatte selbst bei 25 gesammelten Notarztfahrten 2 Leichen, entweder Pech oder es ist doch häufiger als gedacht
    – Habe euer Video zu Palliativgespräch bzw. Patientenverfügung gesehen, wie auch Marcel das Video kommentiert hat, fände ich auch ein Video gut zum zu Hause lassen des Patienten bei palliativer Situation, wie handelt man in dieser Situation, bzw. wann nimmt man dennoch mit in die Klinik.
    “Marcel
    sagt:
    28. August 2018 um 11:26
    Hallo Ihr beiden wieder ein super Video,
    kann man auch mal ein Video machen über das zu Hause lassen eines Pat, und deren Aufklärung im RD sowohl mit Arzt und oder auch nur RD-Personal”

    1. Danke für dein Feedback!
      Korrekt ist die rechte Seite, wie im Text beschrieben – danke für den Hinweis!
      Die Themen greifen wir gerne auf!!

  4. Hallo Ihr Lieben,
    Danke für einen weiteren wunderbaren Beitrag. Ihr habt ja nach eigenen Fällen gefragt.. Ich hatte vor vielen Jahren mal einen 41-jährigen Patient, der seinen Lebenswandel starten wollte und joggen ging. Zwei Tage später plötzlich (klassisch) Schmerzen zwischen den Schulterblättern, marmorierter rechter Arm, Blutdruck an diesem nicht messbar, links normal. Zudem in der linken Leiste kein Puls. Irgendwie hatte ich sofort die Diagnose Dissektion im Kopf, obwohl ich noch nie eine gesehen hatte.. Wir sind, nach einer schwierigen Rettung mit Drehleiter, in die nur 2min entfernte Klinik (mein alter Arbeitgeber). Dort wartete das CT auf uns und zuvor der Schockraum mit Kardiologe etc. Die Zielklinik mit Herzchirurgie wusste schon bescheid. Mit viel Fenta war der Patient die ganze Zeit stabil und wurde ca. 75min nach Eintreffen in der Zielklinik abgegeben. Weitere 30 min später war Schnitt. Leider ist er dennoch 14 Tage später verstorben.

    1. Aus unserer Sicht (und nach Rücksprache mit einzelnen Gefäßchirurgen) nicht, da eine massive Blutung bei Ruptur nur chirurgisch gestillt werden kann und Hyperfibrinolyse in der Regel hier keine zentrale Rolle spielt.

  5. Ich hatte 2015 eine Aortendissektion Typ A die auch nicht sofort erkannt wurde. Erst im CT. Hatte riesiges Glück. Dann sofort Not Op. 2 Wochen Spital 2 Wochen Reha. Euer Beitrag war super. 19.9. ist auf der ganzen Welt der Tag der Aorta.

  6. Meine beiden Pat. mit AAA-dissektionen sind leider am Notfallort verstorben. 1x beobachteter Kollaps Reanimation erfolglos. 1x drucklos mit bekanntem aneurysma aber noch ansprechbar, im US pericardtamponade, beim Lagern asystol geworden.
    Danke für den tollen Vortrag!

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