Lungenembolie – neue Leitlinie 2019 – das Update!

Die Lungenembolie… eine relativ häufige und teilweise auch fulminant verlaufende Erkrankung und auch Thema von zwei Nerdfallmedizin-Videos (LAE Teil 1: Diagnostik und LAE Teil 2: Therapie).

Gerade ist die neue Leitlinie der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) herausgekommen. Was gibt es also Neues?

Wichtige Änderungen : 

  • Altersadaptierter D-Dimer und YEARS-Algorithmus erwähnt
  • Diagnose-Algorithmus für Schwangere
  • DOAKs als Erstlinientherapie für stabile Patienten möglich

Diagnostik:

Die PERC-Regel kann helfen, weitere Tests zu vermeiden.

Vorgehen bei V.a. Lungenembolie, hämodynamisch stabil:

  1. Vortestwahrscheinlichkeit erheben (z.B. Wells-Score  / Geneva-Score), alternativ YEARS-Algorithmus (hier sind D-Dimere automatisch Teil des Scores)
    1. Vortestwahrscheinlichkeit gering: D-Dimer (wenn positiv: CT)
    2. Vortestwahrscheinlichkeit hoch: Direkt Bildgebung (CT)

Vorgehen bei mit V.a. Lungenembolie, hämodynamisch instabil:

  1. Bedside-Echo: Rechtsherzbelastung / “RV-Dysfunktion“?
    1. Falls ja – wenn CT sofort verfügbar und Patient ausreichend stabilisierbar -> CT
      alternativ direkt:
  2. Reperfusionstherapie (z.B. Lyse)

Therapie-Optionen:

Hochrisiko-Lungenembolie: “Reperfusionstherapie”

  • Antikoagulation mit unfraktioniertes Heparin i.v. bereits bei hochgradigem klinischen Verdacht (Bolus 80IE/kg)
  • Lysetherapie (z.B. rtPA 100mg/2h oder akzeleriert z.B. bei Reanimation: 0,6mg/kg/15min (max 50mg)
    • Bei Lyse unter laufender Reanimation: Fortsetzen der Reanimation für mind. 60-90min!
    • Falls Lysetherapie kontraindiziert: Chirurgische Thrombektomie erwägen
  • Volumen-Challenge (500ml) erwägen
  • Sauerstoffgabe + Beatmung falls nötig (Hypotension bei Narkose und hohe Beatmungsdrücke (PEEP, Spitzendruck) unbedingt vermeiden)
  • Vasopressoren: Norepinephrin, ggf. zusätzlich Dobutamin
  • ECMO/ECLS erwägen

Intermediär-Risiko-Lungenembolie: Antikoagulation

  • Antikoagulation initial mit NMH oder Fondaparinux s.c. (Niereninsuffizienz: unfraktioniertes Heparin i.v.) oder DOAKs
  • Keine Thrombolysetherapie, nur bei hämodynamischer Verschlechterung

Verdacht auf Lungenembolie bei Schwangeren:

Kurzzusammenfassung (Nerdfallmedizin-Version):

  1. Vortestwahrscheinlichkeit (z.B. via YEARS)
  2. Einschluss möglich? (Beinvenensono) positiv -> Antikoagulation (dann meist keine weitere Bildgebung nötig)
  3. Alternative Diagnose? (Rö Thorax, falls Szintigraphie logistisch möglich)
  4. Keine alternative Diagnose, weiterhin V.a. LAE? Perfusionsszintigraphie (bei unauffälligem Rö Thorax) oder CT (bei auffälligem Rö Thorax oder nicht verfügbarer Szintigraphie)

Etwas mehr im Detail, wie in Leitlinie aufgeführt:

Zuerst Vortestwahrscheinlichkeit prüfen (z.B. Nutzung des YEARS-Algorithmus). Wenn diese hoch ist – gleich Antikoagulation beginnen, dann weitere Diagnostik.

Dann: Ist ein “Einschluss” ohne Strahlenbelastung möglich?
Die Beinvenensonographie macht Sinn, wenn ein klinischer Verdacht besteht (klassisch: Beinschmerz, -umfangsvermehrung, -ödem etc.). Wenn in der Kompressionssonographie eine TVT nachweisbar ist – Antikoagulation fortsetzen und Behandlung / Risikoeinteilung wie Lungenembolie (= Echo wegen Rechtsherzbelastung & Troponin). Hier muss nicht unbedingt eine weitere Bildgebung erfolgen, außer eine alternative Diagnose (Pneumonie etc.) steht im Raum – dann Abwägung nach Risiko/Nutzen.

Wenn KEINE Thrombose peripher nachweisbar ist, sind weitere Untersuchungen notwendig. Hier empfiehlt die Leitlinie zunächst ein Röntgen des Thorax durchzuführen (geschätzte Strahlenbelastung Fötus und weibliche Brust jeweils <0,01 mSv).

Dann – bei unauffälligem Röntgenbild – kann eine Perfusionsszintigraphie oder ein CT durchgeführt werden. Die Sicherheit des Ausschlusses einer LAE werden bei CT oder unauffälligem Rö-Thorax plus Perfusionsszinti als gleichwertig beschrieben.
Bei auffälligem Röntgenbild sollte ein CT durchgeführt werden.

Kommentar: Die Leitlinie ist relativ unkonkret bezüglich der Rationale “zuerst Röntgenbild, dann ggf. CT / Szintigraphie”. Logisch erscheint – wenn eine Szintigraphie logistisch oder klinisch nicht indiziert / verfügbar erscheint, kann aus unserer Sicht auf das Röntgenbild verzichtet werden und gleich das CT durchgeführt werden. Ist eine Szintigraphie verfügbar, kann durch die Kombination mit einem unauffälligen Röntgenbild eine gleiche Aussagekraft wie im CT erreicht werden, bei deutlich geringerer Strahlenbelastung für die weibliche Brust.

UpToDate verfolgt eine ähnliche Argumentation bezüglich Szintigraphie und Röntgen-Thorax (siehe hier).

Despite its poor diagnostic accuracy, a chest radiograph should be performed in every pregnant patient in whom a PE is suspected. This both evaluates for alternative diagnoses and allows the accurate interpretation of V/Q scan results.

Quelle: 2019 ESC Guidelines for the diagnosis and management of acute pulmonary embolism developed in collaboration with the European Respiratory Society (ERS). 2019, European Heart Journal (doi: 10.1093/eurheartj/ehz405)

UpToDate (speziell: “Pulmonary Embolism in Pregnancy“)

Autor: Martin Fandler

I like EM, critical care, prehospital EM, medical education and #FOAMed too.

6 Gedanken zu „Lungenembolie – neue Leitlinie 2019 – das Update!“

  1. Hi!
    Kurze Frage: V.a. LAE unter Reanimation: ich entscheide mich für die Lyse. Gebe ich dann zu rtPA zusätzlich auch das Heparin? Fällt dann ja unter Hochrisikopatient…also ja, oder?
    Vielen Dank
    und viele Grüße!

    1. Hallo Jan,
      nein, während Lysegabe ist meines Wissens Heparingabe nicht empfohlen. Kurz gesagt: Lyse ODER Heparin, keine Parallelgabe (zumindest in der Akutbehandlung, in der Klinik könnte man je nach Situation nach der Lysegabe die AK mit Heparin weiterführen).

  2. Hallo Nerds,

    ich kann nur empfehlen auch die Lungensonographie (+Echo+TVT) im Hinterkopf zu behalten (auch für Differentialdiagnosen (z.B. Covid mit multifokalem interstitiellem Syndrom etc.).
    Seit den 90iger Jahren gibt es Studien u.a. von Mathis et. al, die man als POCUS-Fan im Hinterkopf haben kann (doi: 10.1378/chest.128.3.1531. ).
    Nazerian hat 2014 in Chest auch ein guten Algorhythmus vorgestellt, um CT-Pulmonalis Untersuchungen zu reduzieren ( doi: 10.1378/chest.13-1087.). Offenbar nichts für die Leitlinie aber wie ich finde äußerst hilfreich bei stabilen Pat.

    1. Hallo Hajo,
      vielen Dank – da rennst du bei uns offene Türen ein. Thoraxsonografie ist eine super Technik, die wir beide gerne nutzen. Realistisch sehe ich aber aktuell keine Rolle der Thoraxsonografie zum sicheren Ausschluss einer LAE (eher zum Finden einer alternativen Diagnose oder Darstellung von typischen Artefakten einer LAE), bin aber auf jegliche Weiterentwicklung der Technik und Daten sehr gespannt.

  3. Hallöchen, super Zusammenfassung!
    Wie so häufig, gibt es für die prähospitale Versorgung hier keine gesonderten Empfehlungen.
    Wie seht ihr die prähospitale Lysetherapie beim instabilen (noch nicht reanimationspflichtigen) Patienten mit anamnestisch und klinisch hohem Verdacht auf LAE – so lange wir kein Sono zur Darstellung der RV Dilatation haben? Wenn verfügbar, könnten die ausreichenden diagnostischen Anforderungen der Leitlinie ja erfüllt werden und die Lyse entsprechend der Leitlinie begonnen werden.

    1. Hi Hanna,
      die ERC Leitlinien 2015 sagen, dass bei klinischem Verdacht unter Reanimation im Rahmen der Reanimation lysiert werden kann. Das ist natürlich immer eine Einzelfallentscheidung! Wichtig ist, falls Lyse gegeben wird, sollte die Reanimation mindestens (!) 60 Minuten NACH Lysegabe fortgesetzt werden, um eine Wirkung auch zu ermöglichen.
      Nur aufgrund der Klinik bei Patienten mit noch vorhandenem Kreislauf zu lysieren ist eine extrem schwierige Sache. Denn: Ehrlicherweise ist die präklinische Verdachtsdiagnose einer Lungenembolie oft sehr schwierig zu stellen und aus meiner Erfahrung in der Notaufnahme auch häufig nicht korrekt – von Spannungspneu über septischen Schock bis zu Aortendissektion – das waren alles Diagnosen, die nach einem V.a. Lungenembolie herauskamen – wäre bei allen genannten Fällen eine Lysetherapie extrem gefährlich bis fatal. Daher: Es mag Einzelfälle geben, wo aufgrund der Vordiagnose, des Transportweges oder anderer Aspekte eine Lysetherapie vielleicht in Betracht gezogen werden kann, aber man sollte mögliche dramatische Konsequenzen gut überlegen… dann lieber unter Katecholamintherapie und Vorankündigung in die Klinik!

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