Im zweiten Video mit Dr. Klaus Fessele bleiben wir bei den Breitkammerkomplextachykardien. Diesmal geht es um einige Sonderfälle und die Therapie dieser Rhythmusstörungen!
Hier geht’s zum ersten Video und dem Überblick und Shownotes zu rhythmischen Breitkammerkomplextachykardien.
Sonderfälle
“Slow-VT”
Herzfrequenz meist um 100-120/min. Oft Patienten mit Dauer-Amiodarontherapie, oft Schrittmacher-/ICD-Träger.
-> Aggressive Therapie wie VT! (ev. über ICD/Schrittmacher intern therapierbar bei verfügbarer Expertise). Bei externer Kardioversion – Abstand von implantiertem Schrittmacher / ICD halten!
Akzelerierter idioventrikulärer Rhythmus
Herzfrequenz typischerweise 80-100/min. Typische “Reperfusionsarrhythmie”. Wenn Patient stabil: Don’t touch!
ULTRAbreitkomplex-Tachykardien
QRS >180ms und meist nicht extrem schnell (Herzfrequenz eher 60-120/min). Hochgradiger Verdacht auf Hyperkaliämie oder Intoxikation z.B. mit Trizyklika.
Keine Antiarrhythmika-Gabe! Bei Hyperkaliämie: Calciumgabe, Kalium senken.
Therapie
Ventrikuläre Tachykardie
-> Wenn Rhythmus UNKLAR, dann wie VT behandeln. “Treat the worst”.
Instabiler Patient = Strom (Kardioversion / Defibrillation)
(wenn Patient wach: Kurznarkose!)
“Stabiler” Patient = Amiodaron (300mg iv Kurzinfusion in Glucose 5% über 10-20 Minuten).
Erfolgsrate ca. 30%. Wenn nicht erfolgreich (nach Applikation ca. 15min warten), dann nicht nochmal Amiodaron – sondern Kardioversion. Während Amiodaron-Gabe schon “Plan B” (Kardioversion) vorbereiten.
Begründung: Wir wollen möglichst schnell ein Sinusrhythmus-EKG sehen (Ischämie/Infarkt?) & je länger eine VT läuft, desto höher ist das Risiko der hämodynamischen Verschlechterung.
Supraventrikuläre Tachykardie
Adenosin (zuerst 6mg, bei Nicht-Erfolg 12mg i.v.) über eine möglichst zentralen Venenzugang, zumindest Cubita, mit ausreichend NaCl / VEL nachspülen.
Kann Flatterwellen demaskieren, supraventrikuläre Tachykardien beenden.
CAVE: Eventuell werden einzelne VTs auch durch Adenosin beendet! Daher nicht denken “Adenosin wirkt = supraventrikulär = Patient entlassfähig”!
Bei bekanntem WPW: Ajmalin erwägen (nur bei Herzgesunden Patienten!)
Weitere Medikamente:
Ajmalin nur mit Erfahrung und bei Herzgesunden Patienten (da negativ inotrop), 50mg i.v. LANGSAM!
Wenn QRS-Verbreiterung am Monitor sichtbar – STOP!
Lidocain ähnliche Erfolgsquote wie Amiodaron, eventuell bei akuter myokardialer Ischämie etwas besser.

Alle Dosierungsangaben ohne Gewähr. Jede Dosierung muss vor Anwendung überprüft und ggf. korrigiert werden. Alle genannten Medikamente sind nur durch erfahrene Anwender unter Monitoring anzuwenden! Siehe auch unsere Nutzungshinweise/Haftung.
Top Video, danke
Evtl eine Frage, war jetzt gestern während meines Intensivdienstes(direkt zur Übergabe, weiß also nicht, wie es danach weiter ging) eine Patientin mit BKT, die jedoch eine Jodallergie hatte, jedoch stabil war und dementsprechend von mir nicht kardiovertiert wurde bei frequenz um die 100-110/min. Gibt es denn eine Alternative zu amiodaron wegen der Jodallergie? LG
Hey, vielen Dank!
Zunächst wäre die Frage, ob es sich wirklich um eine ventrikuläre Tachykardie handelte (mit 100-110/min schon extrem langsam für Pat, die nicht mit Antiarrhythmika vorbehandelt sind) oder um eine supraventrikuläre Tachy mit Blockbild.
Eine Option, die in den ERC Leitlinien gleichwertig zu Amiodaron bei ventrikulärer Breitkomplextachykardie gewähnt wird, wäre Lidocain. Alternativ ggf. auch Ajmalin (aber das alles unter Vorbehalt nach Morphologie der Tachykardie)
Ja, letztlich habe ich das EKG auch als VHF mit Schenkelblock gesehen, aber es war mir unklar, welches Antiarrhythmikum dann als Ersatz möglich gewesen wäre. Super, danke, das Video erklärt echt anschaulich alles, was ich vorher nicht so kapiert habe
Hey Jerome,
hier noch die Ergänzung von Klaus:
Ad Jodallergie: erst mal nachfragen was nicht vertragen wurde: Jod ist ja essenziell für Menschen. Also wäre eine echte Allergie inkompatibel mit dem Leben. Meint der Patient: Hautreaktion auf Desinfektionsmittel? Reaktion auf KM? Vermeiden von Jod wegen Hyperthyreose? Würde das dokumentieren und bei den ersten 2 würde ich Amio bei gegebener Indikation anwenden (zumindest als Akuttherapie). Wenn man es vermeiden will wirkt Lido halt nur bei VT (v.a. wenn ischämisch), Ajmalin bei VT und SVT.
Hallo!
Was wäre in etwa die längste tolerable Transportzeit zun Kardiologen, die man einem zum Zeitpunkt des Eintreffens am Ensatzort beschwerdefreien Pat. mit Breitkomplextachykardie (VT) in “no-touch-Technik” zumuten sollte?
Danke für die Antwort!
Hi Kai,
das hängt total vom Einzelfall ab und muss immer individuell beurteilt werden. Wenn der Pat. wirklich stabil ist, kann das auch (unter enger Überwachung und jederzeitiger Interventions (=Kardioversions/Reanimations-)bereitschaft) z.B. über eine Stunde gehen. Bzw. stellen sich teils auch Pat. in der Notaufnahme noch relativ stabil mit seit Stunden laufender VT vor… aber wie gesagt, absolut individuelle Einschätzung.
Super danke! Was wären denn Warnsignale oder kardiale Vordiagnosen, die auch bei stabilen Pat. die präklinische medikamentöse Therapie triggern sollten, weil sie z. B. eine zügigere Dekompensation erwarten lassen?
Danke für die tollen Videos!
Kerstin (ehem. Klinikums-Mitarbeiterin die gerade auf die FA-Prüfung lernt ;-))
Sehr gerne! 🙂 und viel Erfolg!!!
Hey,
vielen Dank für eure super Beitrag. Wollte gerade noch ein bisschen nachlesen, weil das Thema in unserer Fortbildung kam. Stefan ist ja im Kommentar schon kurz auf Magnesium eingegangen. Evtl. solltet ihr im Ablaufschema noch kurz die die Torsade erwähnen. Hier sollte ja in jedem Fall eher Magnesium eingesetzt werden, in unserer Fortbildung wurde erwähnt, dass Amiodaron sogar die Gefahr für einen Übergang ins Kammerflimmern noch erhöht.
Viele Grüße 🙂
Hallo Niclas, vielen Dank für das positive Feedback! 🙂
Die Torsade und Therapie (Mg, jedoch meist Frequenzerhöhung nötig; ev. Lidocain; KEIN Amiodaron) haben wir hier besprochen: https://nerdfallmedizin.blog/2019/11/30/2559/
Hallo,
eine Frage zu einem denke ich häufigen Szenario im klin. Alltag auf Station/im Nachtdienst o.ä.! Wie ist eure Empfehlung für das Vorgehen nach stattgehabter nsVT oder auch sVT, welche bspw. von der IMC-Pflege am Monitor bemerkt wurde, ausgedruckt wurde und ihr dann informiert wurdet. Wenn ihr dann vor Ort seid ist der Spuk aber schon vorbei, dem Patienten ging es immer gut aber ihr seht auf dem Ausdruck es war tatsächlich eine VT. Dann schauen einen ja immer viele Augen fragend an mit dem Erwartungsdruck einhergehend nun irgendwas zu unternehmen. Was würdet ihr dann unternehmen, z.B. wenn der Pat. 83 Jahre alt wäre, eine 3-GE-KHK hätte (akuter Infarkt aber laborchem. akt ausgeschlossen), Kalium 4,3 mmol/l und wg. kard. Dekompensation akt. behandelt wird. Nehmen wir mal eine übliche Eigenmedikat. an, u.a. mit Metoprolol 47,5 mg 1-0-1 , ASS etc.!
Vielen Dank für Eure Einschätzung!
Hi Stefan, hier die Antwort von Klaus:
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Hallo Stefan,
die Grundfragen sind:
wie symptomatisch war der Patient/wurde das Ereignis hämodyn toleriert?
wie häufig sind die Episoden? Wie hoch ist die VES-Last?
Nun zu deinem Fall: Aktuell ist ja keine Elyt-störung oder ACS ursächlich bei bek. KHK, daher sollte der Patient bald ein Echo bekommen (EF?) und eine Coro, ggf. Revaskularisation. Danach Entscheidung über Procedere (ICD, Ablation, Amio, …)
Im ND würde ich primär Magnesium geben (2 g iv), ist zwar keine Wunderwaffe, aber mal eine Basismaßnahme. Bei rez. Ereignissen – vor allem wenn hämodyn Beeinträchtigung durch die sich selbst lim. nsVTs – dann doch Amio 300 mg iv als KI (vorher Blick auf QTc und Schilddrüsenwerte). Bei guter EF und gutem RR vielleicht auch mal Metoprolol iv, ist aber sicherlich meist weniger wirksam.