Nachdem Dr. Jan Bräunig uns in im Video zum Extremitätentrauma Teil 1 zu allgemeinen Fragen des Rede und Antwort stand, haben wir ihn im Teil 2 zur speziellen Versorgung von Frakturen und insbesondere Reposition befragt, zusätzlich gibt’s noch Tipps zur Analgesie.
Nach dem Abarbeiten des xABCDE-Algorithmus ist der primary Survey abgearbeitet und man kann auf die relevantesten Probleme des Patienten fokussieren. In Bezug auf das Extremitätentrauma sollten vor allem der pDMS-Status kontrolliert und dokumentiert werden.
Bei der Untersuchung stellt sich oft die Frage nach den sicheren und unsicheren Frakturzeichen:
- unsicher: Schwellung, Schmerz, Hämatom
- sicher: Krepitation, Achsabweichung, sichtbare Fehlstellung, abnorme Beweglichkeit, Knochenfragmente
Praxis-Tipp: Schmuck möglichst frühzeitig entfernen!!
Generell sollten präklinisch Frakturen immer dann durch Zug an der Extremität reponiert werden, wenn diese eine relevante Achsabweichung zeigen. Eine OSG (oberes Sprunggelenk) Luxationsfraktur MUSS immer reponiert werden.
Eine Reposition ist dabei kein Hexenwerk, wenn man ein paar Aspekte beachtet:
- vor UND nachher Kontrolle der pDMS
- unbedingt dokumentieren
- Analgesie bedenken (siehe Kochrezept)
- Längszug und Schienung
- Wichtig ist vorallem die achsgerechte Lagerung um Zug und Druck auf die Weichteile und im Verlauf auch den Schmerz zu verringern
- nach Reposition muss die Extremität durch adäquate Schienung in der entsprechenden Position gehalten werden
Nichts ist fieser, als eine schlechte Analgesie! Dabei sollte in der Präklinik ein Analgetikum mit kurzer Anschlagzeit bis zum maximalen Wirkeintritt und gutem Sicherheitsprofil gewählt werden.
Metamizol (oder bei Kindern auch schon gesehen Paracetamol Zäpfchen) ist als alleiniges Analgetikum für alles, was über leichten Schmerz hinausgeht ungeeignet (und steht gerade wieder in der Kritik).
Hier ist ein gutes Kochrezept für die Analgesie bei Trauma:
Analgesiekonzepte für einen Erwachsenen (75-80kg):
- Analgesie mit Reposition: initial Propofol 20mg + S-Ketamin 25mg, dann bedarfsweise ergänzen
- Analgesie ohne Reposition: Fentanyl (0,1-0,2mg) oder Sufentanil (5-10µg)
WICHTIG: Analgesie immer mit Basismonitoring, Sauerstoff mind. bereit halten! Mögliche Komplikationen (Hypoventilation/Atemstillstand) kennen und beherrschen können.
(Wie wir im letzten Post erst erwähnt haben, erfolgt die Anwendung natürlich immer auf eigene Gefahr und Dosierungen sollten immer geprüft werden. 😉 )
Zusammengefasst:
- Immer pDMS vor und nach Reposition und Lagerung dokumentieren!
- Achsgerechte Lagerung und Schienung! (Insbesondere OSG!)
- Auf ausreichende Analgesie achten!
Quellen:
- S1 Handlungsempfehlung prähospitale Notfallnarkose (frei zugänglich)
- Extremitätentrauma – Das sollten Sie wissen! (Artikel aus “Retten”, Paywall)
- Erstversorgung von Frakturen und Luxationen (Artikel aus “NORE”, Paywall)
Würdet ihr bei der Ketamingabe auch noch einen Hauch Midazolam geben? Oder schätzt ihr die alleinige Gabe von Ketamin bzw. hier Esketamin als völlig unproblematisch ein?
Hi, wir geben meistens ein Sedativum dazu – einen Hauch Midazolam (1-2mg), wenn nur die Prophylaxe vor den “Bad Dreams” im Vordergrund steht, Propofol bei kurzer Analgosedierung. (Stichwort Ketofol 😉 )
Insgesamt herrschen da aber international unterschiedliche Vorgehensweisen. Wichtig zur Vermeidung der Agitationszustände ist sicher vorallem die ruhige Umgebung – ist die nicht gegeben lieber mehr Sedativum add on.
Lg
Das heißt ihr gebt Ketofol + ein Ny Dormicum gegen die Bad Trips dazu? Ich habe zwar unter Ketofol noch nie Probleme gesehen, aber wer weiß… Und: gilt immer noch: Esketamin so langsam wie möglich spritzen?
Propofol sollte wie Midazolam protektiv gegen “Bad Trips” helfen. Eine Gabe von sowohl Propofol als auch Midazolam sehe ich als nicht zielführend an (und erhöht potentiell die Nebenwirkungen/Komplikationen).
Die Vorgabe “Esketamin so langsam wie möglich spritzen” kenne ich persönlich nicht und wird auch in der mir bekannten Literatur so nicht empfohlen. Woher kommt das?
Ich habe mal gelernt, dass Esketamin langsam gegeben werden muss, da eine zu schnelle Injektion ein höheres Risiko von Atemdepressionen mit sich bringt. Wird so z.B. auch hier so als SOP vorgegeben: https://eref.thieme.de/images/supmat/292010101_Esketamin.pdf
In der Regel ja Kombination mit Propofol. S-Ketamin mono ist in aller Regel aber auch unproblematisch. Midazolam ist natürlich auch möglich. Ich persönlich bevorzuge jedoch Propofol.
Ergänzung zur Analgesie:
Eine weitere gute Möglichkeit ist die Kombination von Fentanyl (2 mcg/kgKG) und Ketamin (0.5 mg/kgKG). Sobald der IV Zugang liegt, Fentanyl. Wenn das Schienungsmaterial parat ist: Ketamin “on top”, dann Reposition.
Gute Ergänzung, danke!