Manche Patient:innen will man am liebsten gar nicht intubieren – das kann an den schwierigen anatomischen Verhältnissen bei Verwachsung oder Tumor, massivem Bluterbrechen oder einer Atemwegsschwellung liegen. Es gibt aber auch Patient:innen, die ein extrem hohes physiologisches Risiko eines Kreislaufstillstandes haben und bei denen jede Narkoseeinleitung ein Ritt auf der Kanonenkugel ist.
Welche Patient:innen das sind und mit welchen Tricks man auch die schwierigen Fälle meistert, dazu hat Philipp ein paar Tipps:
Insgesamt gibt es insbesondere drei (bzw. vier) schwierige Bedingungen:
- Hypoxie
- Hypotension
- Azidose
- Rechtsherzversagen
Hier schonmal die wichtigsten Punkte vorne weg:
- Resuscitate before you intubate! (Stabilisieren vor Intubieren!)
- Vorbereitung ist die halbe Miete!
- Oxygenierung vor Aspiration! (vorsichtige Maskenbeatmung geht fast immer)
- Tut das Not? (Gerade bei kritischen Patient:innen unter schwierigen Bedingungen die Indikation zur Intubation nochmal hinterfragen)
Hypoxie
Glücklicherweise können wir hypoxische Patient:innen meist gut erkennen – spO2 ist niedrig und/oder der/die Patient:in braucht hohe Sauerstoffgaben um einigermaßen zu sättigen. Ein Faktor wird dabei aber oft nicht so leicht erkannt – hyperventilierende Patient:innen, die unter Raumluft noch eine halbwegs gute Sättigung erreichen. Letztere Patient:innen sind mindestens genauso gefährdet bei der Narkoseeinleitung und Hypoventilation bzw. Apnoephase eine Hypoxie zu erleiden, da die Hyperventilation hier Anzeichen für eine schwere Lungenerkrankung (z.B. Lungenfibrose, Pneumonie..) sein kann.
Welche Tricks gibt es für primär hypoxische Patient:innen?
- Apnoe Oxygenierung und unbedingt adäquate Präoxygenierung
- NIV vor der Intubation zur Optimierung der respiratorischen Situation
- Patienten die NIV nicht tolerieren können mit DSI eingeleitet werden
Hypotension
Patient:innen, die bereits mit einem schlechten, oder grenzwertig niedrigen Blutdruck in die Narkose starten, werden durch die Narkose meist nicht besser 😉
Im Gegenteil, der Sympatikusreiz wird durch die Narkoseeinleitung gedämpft und die Kreislaufsituation eher instabiler! Wichtig ist aber neben der Hypotension auch das frühzeitige Erkennen eines Schocks (Tachykardie/Verwirrung/Mottling) und das Antizipieren von Problemen!
Tricks bei Hypoxie/Schock:
- Noradrenalin mindestens als Pushdose-Pressor vorbereiten, besser Noradrenalin Perfusor vorbereiten und niedrig dosiert anlaufen lassen!
- Zielblutdruck von 140mmHg systolisch VOR Narkoseeinleitung anstreben!
- Ggf. Volumenbolus vor und während der Einleitung! (aktuell in Diskussion)
Azidose
Nichts tötet eine/n Patient:in so effektiv wie eine schlechte Narkoseeinleitung bei schwerer Azidose…
Warum ist das so? – Weil im Rahmen der Hypoventilation unter Narkoseeinleitung und ggf. folgender Apnoephase die vllt. noch respiratorisch kompensierte Situation ins Wanken gerät: Der/Die Patient:in wird noch saurer, Blutdruck fällt ab, Katecholamine wirken kaum noch, Kalium steigt, Leben endet!
Dabei ist es erstmal egal, ob der/die ausgebrannte COPD Patient:in mit einer respiratorischen Azidose intubiert wird, oder junge Patient:innen mit schwerer Ketoazidose. Wichtig ist das Verständnis, dass diese Patienten mindestens von dem aktuell noch vorhandenen Minutenvolumen abhängig sind!
Tipps:
- Erkennung der metabolischen Azidose ggf. durch etCO2 Messung mit Nasenbrille für Kapnographie
- alle Werte abseits von 30-50mmHg sind Warnsignale!
- NIV zur Präoxygenierung nutzen
- an der NIV kann man das aktuelle Minutenvolumen des Patienten schon abschätzen und kennt die absolute Untergrenze für die weitere Beatmung
- Einleiten unter NIV
- druckunterstützte Beatmung vor der Einleitung zur Präoxygenierung (s.o.) dann nach Medikamentengabe bei fehlendem Atemantrieb auf kontrollierte Beatmung umstellen
- CAVE: keine hohen Drücke – 20cmH20 maximal
- erst nach voller Wirkung des Relaxanz bei besten Intubationsbedingungen Loslegen (Maske ab dann sofort Videolaryngoskopie und Intubation)
- Hohes Minutenvolumen halten
- Beatmungsgerät entsprechend voreinstellen
- nach Intubation und Lagekontrolle des Tubus erstmal am Beutel etwas hyperventilieren
Hier weiche ich von den Empfehlungen des Papers in den Quellen etwas ab – ich halte eine Narkoseeinleitung ohne Relaxanz in der Notfallmedizin für sehr gefährlich. Denkbar wäre eine Wachintubation unter Spontanatmung. Diese muss aber unbedingt sicher beherrscht werden und ist nix zum “mal eben ausprobieren” beim kritischen Patienten. Der Reflex beim kritischen Patient:innen mal lieber auf das Relaxanz zu verzichten, ist aus meiner Sicht FALSCH bzw. extrem gefährlich (die Intubation wird dadurch nur schwerer)!
Rechtsherzversagen
Darauf sind wir im Video aus Zeitgründen nicht eingegangen- trotzdem kann der Punkt natürlich sehr wichtig sein!
Unterscheiden kann man das Rechtsherzversagen bei (akut) erhöhtem pulmonalen Druck (Lungenembolie) und das Rechtsherzversagen bei z.b. Rechtsherzinfarkt. Letztlich sind beide Fälle aber abhängig von einer ausreichenden Vorlast bei gleichzeitig optimierter Nachlast.
Der pulmonale Widerstand sinkt bei guter Oxygenierung der Lunge (Euler-Liljestrand-Mechanismus) und steigt bei Hypoxie. Daher ist eine gute Präoxygenierung hier wiedermal extrem wichtig.
Gleichzeitig öffnet der PEEP Atelektasen und vergrößert die Gasaustauschfläche der Lunge – dadurch wird bis zu einem gewissen Grad der pulmonalarterielle Widerstand gesenkt aber gleichzeitig der intrathorakale Druck erhöht und die rechtsventrikuläre Nachlast bei zu hohem PEEP wiederum erhöht. Optimalerweise würde man den sPAP bei verschiendenen PEEP Einstellungen im Echo messen und so den PEEP titrieren. In der Praxis ist meine Erfahrung, dass ein PEEP von 8cmH2O (maximal 10) meist toleriert wird – höheren PEEP aber insb. initial vermeiden!
Generell sollte die Intubationsindikation durch das hohe Arrest-Risiko bei der Narkoseeinleitung bei akutem Rechtsherzversagen sehr eng gestellt und kritisch hinterfragt werden.
Philipp hat zu dem Thema auch einen komprimierten Vortrag “FOAMhack” (organisiert von den PinUp Docs) gehalten. Hier die zusammenfassende Abschluss-Folie:

Und wer einen ultrakompakten Überblick haben möchte, sieht sich den Shortcut zum Thema “Physiologisch schwieriger Atemweg” an.
Eine Hyperventilation dient nie dazu “den Sauerstoff in den Körper rein zu kriegen” sondern das CO2 aus dem Körper raus zu kriegen. Die Sauerstoffaufnahme verbessert sich durch Hyperventilation keinen Deut.
Hi Markus, danke für den Kommentar.
Tatsächlich habe ich etwas unpräzise formuliert – ich hab die Shownotes nochmal etwas angepasst.
Die Hyperventilation infolge der Hypoxie ist häufig Folge einer (chronischen) Hypoxie bei zugrundeliegender Lungenerkrankung. Man kann daher aus dem paCO2 auch die bei (noch) normalem O2 den Sauerstoffbedarf der Patient:innen bzw den korrigierten paO2 ableiten. (Vgl. Seite 11 https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/020-002l_S2k_Langzeit_Sauerstofftherapie_2020-08.pdf)
Vollkommen richtig ist, dass die Ventilation oberhalb einer Minimalventilation insbesondere bei künstlich beatmeten Patient:innen keinen Stellenwert für die Oxygenierung hat. Hier ist inbs. Der PEEP und der FiO2 entscheidend für die Oxygenierung.
Unter Spontanatmung wird durch vermehrte Zwerchfellexkursion unter Hyperventilation meist eine verbesserte Ventilation der basalen Lungenabschnitte erreicht. Dank der Vergrößerung der Gasaustauschfläche und Verminderung des Rechts/Links Shunts tritt in Folge eine bessere Oxygenierung ein.
Allerdings kann die vermehrte Atmung und das Atelekttrauma durch öffnende und kollabierende Alveolen zu einem P-SILI führen (Das wird zumindest im Rahmen von COVID nun verstärkter diskutiert).
Zusammenfassend ist mir wichtig, dass die Hyperventilation erkannt und bei (noch) guter Oxygenierung eine vorliegende Oxygenierungsstörung erkannt wird und bei Atemwegssicherung antizipiert wird.
Viele Grüße
supi wie immer