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Was vermutet ihr? Welche Schritte wären für euch die nächsten?
Eure Meinung zählt!
Nach einer Woche Diskussion veröffentlichen wir die “Auflösung”, je nach Fall auch mit einem kurzen Kommentar. Diskutieren kann man einfach hier auf der Website in den Kommentaren unter dem Beitrag oder entspannt und komfortabel in einer extra Nerdfall-Telegram-Gruppe.
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Diffuse Symptomatik bei psychiatrischer Vorgeschichte: Feuer frei für Stigmatisierung und Vorurteile?

Am Fuß einer absteigenden Treppe wird von der alarmierten RTW-Besatzung ein 43-jähriger männlicher Patient vorgefunden, der rücklings auf den letzten Treppenstufen liegt. Direkt ins Auge fallen der adipöse EZ (BMI ± 50) und die unzähligen Lagen dicker Kleidung, in die der Patient gekleidet ist. Insgesamt macht er aber einen gepflegten Eindruck. Die Kommunikation stellt sich sehr schwierig dar; präzise Antworten sind kaum zu erhalten. Der Pat. murmelt vor sich hin, ist ausgesprochen weinerlich und unterbricht sein eigenes Reden oft durch Wimmern und Aufheulen. Laut eigenen Angaben bestünden bei ihm ausgeprägte Depressionen und Psychosen, er nehme einige Psychopharmaka (u.a. wohl Haloperidol, Quetiapin) ein. Die mühsame Anamnese lässt sich schlussendlich nur mit intensivem Einsatz von Suggestivfragen realisieren, die Beurteilbarkeit ist daher sehr fraglich:
Beim Heruntergehen der Treppen habe der Pat. plötzlich einen unangenehmen Schmerz “im Bereich der Bronchien” verspürt. Gleichzeitig habe er ein “stark schummriges Gefühl” im Kopf empfunden, als wäre dort “kein Blut mehr drin”. Er habe sich dann selbstständig zu Boden legen müssen, sei aber nie bewusstlos gewesen. Ein Besucher eines benachbarten – sehr gut besuchten – Kiosks habe daraufhin den Notruf getätigt. Mittlerweile ist der Anrufer jedoch nicht mehr aufzufinden. Der Schwindel habe sich im Liegen schnell gebessert, jedoch seien stattdessen wohl Schmerzen im gesamten Bauch und im Bereich der rechten Leiste hinzugekommen. Da der Patient jegliche Bewegung kraftlos verweigert, lässt sich eine Atem- oder Bewegungsabhängigkeit der Beschwerden nicht beurteilen. Leichtestes Antippen des Abdomen an beliebiger Stelle führt jedoch zu einem lauten – fast wehleidigen – Aufheulen des Patienten. Eine gründliche Untersuchung des Abdomens ist unmöglich.
Der Pat. kann kaum Angaben zur Qualität der Beschwerden machen; im “Bereich der Bronchien” klage er aber eher über einen scharfen, als einen dumpfen Schmerz. Nach mehrmaliger Bitte, den “Bereich der Bronchien” genauer zu definieren, umfährt der Patient mit seinem Zeigefinger einen etwa tellergroßen Kreis rund um das Xiphoid. Die Schmerzen bestünden weiterhin.
A | Frei |
B | Suffiziente Eigenatmung, seitengleiche Thoraxexkursion, mäßige Tachypnoe (AF 22/min), keine Zyanose, keine obere Einflussstauung |
C | Rekap-Zeit (Stirn) < 2s, Radialis-Pulse bds gut & regelmäßig tastbar, Puls ca. 90 bpm, sehr blasses Hautkolorit, Haut feucht und kühl |
D | GCS 14 (M6 V5 A3), orientiert zu allen Qualitäten, kein fokal neurologisches Defizit, PERRLA |
E | Kein Sturz, keine sichtbaren Verletzungen, Körpertemperatur 36,3° C |
Jetzt geht’s ans Rätseln:
1) Was ist/sind deine Verdachtsdiagnose/n? Ist der Patient kritisch?
2) Wie wäre dein weiteres Vorgehen?
> Wann und wie würdest du den Patienten in den RTW bringen?
> Auf was würdest du im Einsatzverlauf achten?
3) Welche Punkte würdest du beim “F”* des ABCDEF-Schemas im Team kommunizieren?
* F = Fehlerquellen, Fixierungsfehler, Feeling (“Bauchgefühl”)
Dabei am besten alle Teammitglieder aktiv zum Mitdenken ermutigen!
Zusatzinfo Fr 19.06.:
CRT bds deutlich verlängert, keine signifikante Seitendifferenz – Extremitäten kalt
Zusatzinfo Sa 20.06.:
Pat. ca. 1,75m, geschätztes Gewicht 145-155kg
RR palpatorisch re 135mmHg – li 150mmHg
Pulsfrequenz 85 bpm
SpO2 93% (bei Umgebungsluft)
[Perfusionsindex 2,2%]
Zusatzinfo Mo 22.06.:
Etwa 30 Minuten nach Eintreffen am Einsatzort wird noch auf der Treppe dieses 12-Kanal EKG abgeleitet. Das ganze Ausmaß der Kaltschweißigkeit des Pat. wird erst beim Hochschieben der letzten Kleidungsschichten ersichtlich. Die Anlage der EKG Elektroden ist dadurch extrem erschwert.
Zudem wird der Blutzucker mit 123 mg/dl bestimmt.

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Pest und Cholera wie ein Dozent von mir immer sagte,
diesen Pat. mit einem BMI von 50, bekomme ich wohl schwer in mein auto, also fordere ich ein Schwerlast RTW nach. der Pat könnte auf Grund seines Übergewicht einfach einen leistenbruch, bzw nur schmerzen auf Grund der hohen Belastung haben. Diese Schmerzen belasten sein eh schon sehr gefordertes und wahrscheinlich auch schon krankes Herz weswegen es hier zu einem kardialem Leiden kommt (wobei der schlechte Psychische Zustand hierbei auch noch mit einspielt wegen dem Faktor stress).
Ich würde mein Basismonitoring beginnen (EKG, NIBP, O2, BZ) und einen i.v. Zugang anlegen. Weiteres nach der Auswertung dieser Mahßnahmen.
Ich denke, dass man den Hinweis mit den Lagen dicker Kleidun nicht ausser Acht lassen sollte. Auch wenn qSOFA wahrscheinlich 1 könnte Sepsis auf dem Boden einer Pankreatitis oder Magenperforation bei Ulcus dahinter stecken. Auf jeden Fall sollte vor Verbringung in RTW noch SpO2, RR bds, EKG und IV-Zugang erfolgen.
Man könnte direkt auch an eine Aortendissektion bzw. äquivalent an ein symptomatisches oder gedeckt perforiertes Aneurysma…
Präsynkope, scharfer Brustschmerz, jetzt Ausstrahlung vom Bauch bis in die Beine … hmmm …
Natürlich hat der Patient eine psychiatrische Virerkrankung aber ich hätte schon ganz gerne gewusst: gibt es einen Blutdruckunterschied re/li, sind die Fußpulse bds. tastbar, was sagt das 12 Kanal EKG ? Ultraschall?
Mir geht die Aortendissektion nicht aus dem Kopf…
Die generalisierte angststörung ..
Medikamentöse Lösung
Benzodiazepine
Im KH EKG ABCD und Psychiater,in hinzu Ziehen.
Hey Mike,
wie kommst du darauf?
Super Idee mit den Fällen! Unter echt ansprechenden ersten Fall ausgewählt. Macht weiter so!
Vielen Dank für dein Feedback! Wir hoffen, euch auch weiterhin ansprechende Nerdfälle liefern zu können.
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