NERDfacts Folge 7/2020 Tauchunfall

Es ist Sommer, die Wassersportler sind wieder vermehrt unterwegs. Da wird es sich nicht vermeiden lassen, dass es den einen oder anderen Tauchunfall gibt. Hier erfahrt ihr alle wichtigen Facts dazu.

Der Tauchunfall umfasst alle tauchassoziierten Erkrankungen und Symptome, die innerhalb 24h nach dem Tauchgang auftreten. Es kann sich um sehr unterschiedliche Symptome handeln, und manchmal liegen mehrere Stunden zwischen dem Tauchgang und dem Auftreten der ersten Symptome. Durch die unterschiedlichen Krankheitsbilder und Zeitdifferenzen ist es nicht immer leicht, den Tauchgang als Ursache in Erwägung zu ziehen. Die Bandbreite reicht dabei von „ein Taucher liegt im nassen Tauchanzug vor euch“ bis zu „ein Passagier in einem Flugzeug hat auf dem Rückflug aus dem Urlaub Symptome eines Herzinfarktes entwickelt“. Welcher von Beiden hatte einen Tauchunfall?

Um die Entstehung und die Folgen von Tauchunfällen zu verstehen, muss man sich kurz mit der Tauchphysiologie befassen. Hat man verstanden, was mit einem Körper während des Gerätetauchens passiert, kann man die Entstehung der Symptome, die Erste Hilfe und auch die Behandlungsmaßnahmen durch den Rettungsdienst oder in der Notaufnahme logisch nachvollziehen. 

Schwere Tauchunfälle sind zum Glück sehr selten. Sie sind aber lebensbedrohlich und müssen schnell und richtig versorgt werden. 

Der folgende Artikel bezieht sich auf Gerätetaucher (nicht Apnoetaucher).

1. Fact: Die Tauchphysiologie – Atmen unter Druck!

Schauen wir uns das Atemgas des Tauchers an: Es besteht aus ganz normaler Atemluft (meistens zumindest, s.u.): 21% Sauerstoff (O2), 78% Stickstoff (N2).

Auf Meereshöhe herrscht ein Luftdruck von ca. 1bar. Pro 10m Wassertiefe kommt nochmal 1bar hinzu. In einer Tiefe von 20m ist der Taucher also einem Umgebungsdruck von 3bar ausgesetzt. Der Atemregler reguliert die Pressluft aus der Taucherflasche auf den entsprechenden Umgebungsdruck in der jeweiligen Wassertiefe, damit der Taucher unter Wasser atmen kann. 

Was passiert also beim Gerätetauchen? Je tiefer ein Taucher unterwegs ist, umso mehr Gas wird er pro Atemzug einatmen, und damit ins Blut und in die Gewebe aufnehmen. Probleme macht dabei hauptsächlich das Inertgas Stickstoff N2. Es wird nicht verstoffwechselt, und in den Geweben eingelagert (abhängig von der jeweiligen Stoffwechselaktivität). 

Vereinfacht gesagt bedeutet das, dass der Taucher mit zunehmender Tauchtiefe und steigender Tauchzeit immer mehr Stickstoff aufnimmt und einlagert (proportional zum Druck).

Für die Formel-Nerds unter euch:
Physikalische Grundlage ist das Henry-Dalton-Gesetz: A/p= konstant. (pist der Partialdruck des Gases [bar] und A ist die Konzentration des Gases im Lösungsmittel [mol/L]).

Während des Tauchgangs kommt es je nach Tiefe, und abhängig von der jeweiligen Durchblutungsrate, zur Aufsättigung der Gewebe und des venösen Blutes mit Stickstoff. Jeweils immer so weit, bis sich ein neues Gleichgewicht eingestellt hat. Die Sättigungshalbwertszeiten der unterschiedlichen Gewebe können dabei von wenigen Minuten (z. B. Blut, Rückenmark, Gehirn) bis 10h (z.B. Fettgewebe, Knorpel, Knochen) betragen. Erst nach 5 Halbwertszeiten wird eine vollständige Auf- oder Entsättigung erreicht. 

Die aktuelle Sättigung der Gewebe ist dabei natürlich abhängig von den Tauchprofilen (Tiefe und Zeit), der Anzahl der Tauchgänge, der Dehydratation, und der Hypothermie (durch periphere Vasokonstriktion). Auch der Grad der körperlichen Anstrengung und die Konstitution des Tauchers spielen eine Rolle (höheres Atemzugsvolumen).

Beim Auftauchen verlaufen die Vorgänge grob gesagt analog dazu, durch den Abfall des Umgebungsdruckes (s.u.). 

Noch ein paar Worte zu Tauchern ganz allgemein: Taucher sind nach den Tauchgängen (vor allem nach Wiederholungstauchgängen) im Grunde immer mehr oder weniger dehydriert, hypotherm (je nach Tauchprofil, Wassertemperatur…) und müde (natürlich nicht eingetrübt, aber eine gewisse Müdigkeit nach dem 3. Tauchgang des Tages ist durch den hohen N2-Partialdruck zu beobachten). Die trockene Pressluft entzieht dem Taucher mit jedem Atemzug etwas Flüssigkeit und Wärme. Außerdem wird beim Tauchen immer etwas mehr Urin produziert als sonst (Taucherdiurese nennt man die verstärkte Diurese durch verminderte ADH-Sekretion auf Grund des höheren Druckes im Herzen). 

Noch was für die Formel-Nerds:

P1 x V1 = P2 x V2     (P=Druck V=Volumen)

Das ist das Gesetz nach Boyle-Mariotte. Kurz gesagt bedeutet es: Wenn der Umgebungsdruck beim Auftauchen sinkt, vergrößert sich das Gasvolumen (das heißt: hält der Taucher beim Auftauchen die Luft an, wird er ein Barotrauma der Lunge erleiden). 

2. Fact: Tauchkrankheiten = Gasblasen im Blut!

Unter DCI (decopressionincidence oder auch decompressionillness) fasst man zusammen:

  • Dekompressionskrankheit (DCS=decompressionsickness) durch Bildung von Gasblasen in Blut und Geweben  
  • AGE (Arterielle Gasembolie) mit primärem Übertritt von Gasblasen in die arterielle Blutbahn (z.B. Barotrauma der Alveolen) bzw. sekundäre Arterialisierung im venösen System entstandener Gasblasen (z.B. über pulmonale shunts). 

Beide werden durch raschen Abfall des Umgebungsdrucks beim Auftauchen verursacht. 

Sehr anschaulich (wenn auch leicht übertrieben) kann man es sich so vorstellen: 
Beim zu schnellen Auftauchen (durch Panik, Notaufstieg, technische Probleme, …) kommt es zum sehr schnellen Abfall des Umgebungsdruckes. Stellt man sich eine Sprudelfasche vor, die schnell aufgedreht wird, so sprudelt durch den raschen Abfall des Druckes das Wasser extrem stark. So oder so ähnlich sieht es auch im Taucher aus – Gas perlt aus. Dreht man dagegen die Flasche ganz langsam auf, so dass der Druck in der Flasche sehr langsam entweichen kann, gibt es nur sehr kleine Sprudelperlchen.

Übertragen auf das Tauchen bedeutet das, dass die Auftauchgeschwindigkeit bis zum 10m-Bereich nicht schneller als 10m/min sein sollte. Die letzten 10m sollte man sogar noch deutlich langsamer auftauchen (da der Druck sich von 2 bar auf 1 bar halbiert!).

DCS

Beim Auftauchvorgang verläuft die Entsättigung der Gewebe durch den Abfall des Umgebungsdrucks analog. In den Lungen und im arteriellen System stellt sich rasch der aktuelle Partialdruck ein. Dem Konzentrationsgefälle folgend wird aus den Geweben so lange N2 abgegeben, über das venöse System zur Lunge transportiert, und dort abgeatmet, bis der ursprüngliche Zustand vor dem Tauchgang hergestellt ist. Je nach Halbwertszeit der Gewebe verläuft die Entsättigung aber auch analog zur Sättigung langsamer. Dadurch kommt es zu einer relativen Übersättigung der Körpergewebe mit N2

Durch zu rasches Auftauchen kann es infolge der rel. Übersättigung unter Beteiligung von Scherkräften zur Blasenbildung in den Geweben und im venösen Blut kommen. Momentan geht man davon aus, dass zunächst Blasenkerne im Bereich des Endothels entstehen. Die Blasen vergrößern sich, und können sich ablösen. Durch die Endothelschädigung kommt es zur Anlagerung von Thrombozyten und Granulozyten. Auch werden proinflammatorische und prokoagulatorische Zytokine ausgeschüttet, die das Komplementsystem und die plasmatische Gerinnung aktivieren. Es entstehen Ödeme und Gefäßobstruktionen. Gewebeschädigungen sind die Folge. An diesen Mechanismen wird momentan noch geforscht.

Arterielle Gasembolien

werden unterschieden in 

  • primäre arterielle Gasembolie mit primärem Übertritt von Gasblasen in die arterielle Strombahn (z.B. Barotrauma der Alveolen)

und

  • sekundäre Gasembolie mit sekundärer Arterialisierung im venösen System entstandener Gasblasen. 

Gelangen sehr viele Stickstoffblasen aus den Geweben in die Lunge, hat dies über eine Verlegung der Lungenkapillaren eine Erhöhung des Gesamtwiderstands der Lunge zu Folge. Dadurch kommt es zum Anstieg des Blutdrucks in den Lungenarterien und zur Belastung des rechten Herzens. Die Blasen gelangen dann über die Pulmonalvene in den linken Ventrikel und schließlich in die Endstromgebiete der betroffenen Organe. (Dadurch kann es u.a. auch zum Myokardinfarkt kommen – genau hier kann es schwierig werden. Bei entsprechender Symptomatik muss man frühzeitig den Tauchgang als Ursache im Blick haben). 

Durch körperliche Belastung nach dem Auftauchen erhöht sich der Lungenwiderstand weiter, und der Druck im rechten Vorhof kann den Druck im linken Vorhof überschreiten. Dies kann z. B. passieren, wenn der Taucher nach dem Tauchgang mit voller Ausrüstung eine Bootsleiter raufsteigt (eine Tauchausrüstung wiegt komplett immerhin 15-20kg). Ein weiterer Auslöser dafür kann sehr festes Pressen beim Valsava- Manöver während des Tauchgangs sein. Bei Menschen mit PFO (persistierendes Foramen Ovale) ist nun ein direkter Übertritt von blasenreichem Blut vom venösen ins arterielle System möglich. Ein PFO liegt immerhin bei 25-30% der Bevölkerung vor. Danach wird bei Tauchsportuntersuchungen nicht standardmäßig gesucht. Jedoch wird oft ein PFO gefunden, wenn ein Taucher trotz Einhalten aller Regeln einen Tauchunfall erleidet. Daraus ergibt sich die Empfehlung, in einem solchen Fall den Patienten auf PFO zu untersuchen. (Quelle:  Klingmann. Moderne Tauchmedizin, 3. Auflage s.u.) Eine andere Ursache der AGE besteht in der Entstehung eines direkten Barotraumas der Lunge (unabhängig von langer Tauchzeit und großer Tauchtiefe möglich). Hierbei handelt es sich um eine Überdehnung der Lunge mit Ruptur von Alveolen und benachbarten Gefäßabschnitten. Ursache ist beim Auftauchen die unzureichende Exspiration (willentliches Luftanhalten bei Panik, air-trapping, Laryngospasmus, Schleimbildung bei Infekten). Die Folge sind arterielle Gasembolien in verschiedensten Organen mit verschiedener Varianz in der Symptomatik, je nachdem welche Gefäße betroffen sind, z.B.: 

  • zerebrale Perfusionsstörungen mit neurologischen Ausfallerscheinungen (ähnlich Schlaganfallsymptomen)
  • bei Affektion des Rückenmarks („spinal cord injury“) mit inkompletten/kompletten Querschnittssymptomen
  • beim Lungen-Barotrauma kann es auch zum Eindringen von Luft in den Pleuraspalt oder in das Mediastinum mit Ausbildung eines Pneumothorax bzw. Mediastinalemphysem kommen

Symptome 

Durch das mannigfaltige Auftreten der Gasblasen kommt es zu sehr unterschiedlichen Symptomen des DCI. Von Tauchern werden oft bends (Gelenk und Muskelschmerzen) und Hautveränderungen (Hautjucken, marmorierte Haut) wahrgenommen. Störungen von Sensorik, Motorik und Bewusstsein treten auf bei Beteiligung des ZNS (ja nach Lokalisation). 

Der Schweregrad des Tauchunfalls wird anhand von Ausprägung und Dauer der Symptome eingeteilt. Milde Symptome sind Hautjucken und nichtnormale Müdigkeit. Diese müssen sich aber nach 30-minütiger O2-Gabe vollständig zurückbilden (und dürfen nicht wieder auftreten). Alle anderen Symptome sind primär als schwere Symptome einzuordnen. 

Unabhängig davon können Barotraumen von luftgefüllten Hohlräumen vorkommen (Lungen, Innenohr, Trockentauchanzug, Maskenkörper), Symptome siehe unten. Beim pulmonalen Barotrauma kommt es beim Auftauchen durch den abfallenden Umgebungsdruck zur Überdehnung und ggf. Ruptur der Alveolen. Folge können ein Pneumothorax oder Pneumomediastinum mit kardiozirkulatorischer Kompromittierung sein. Hauptrisikofaktoren sind obstruktive Atemwegserkrankungen oder air-trapping durch Verschleimung.

Weitere Probleme, die beim Tauchen auftreten können: N2-Narkose, O2-Toxizität und CO-Toxizität

Stickstoffnarkose

Der höhere N2-Partialdruck verändert die elektrischen Eigenschaften der Nervenzellmembranen im ZNS, dadurch kommt es zu einem narkotischen Effekt. Dies ist ab einer Wassertiefe von ca. 15m möglich. Es kommt zu Einschränkungen des logischen Denkens, der Reaktionszeit und der Affektivität. Auch können Euphorie und/oder Selbstüberschätzung die Folge sein. Bei ausgeprägteren Verläufen kommt es zu Halluzinationen und Bewusstseinsstörungen (Tiefenrausch).

Therapie: Sofortiges, langsames Auftauchen unter Beachtung der Dekompressionszeiten. Die Symptome bilden sich in geringeren Wassertiefen folgenlos zurück. 

Sauerstofftoxizität

Hier unterscheidet man zwischen ZNS-Toxizität und pulmonaler Toxizität. Symptome einer pulmonalen Toxizität treten ab einem O2-Partialdruck von 0,5 bar langsam auf. ZNS-Vergiftungen entstehen schneller, aber erst ab einem O2-Partialdruck von 1,7 bar. Insbesondere Bewusstseinsstörungen/Synkopen und Krampfanfälle sind gefürchtet, die tödliche Folgen haben können. 

Beim Tiefenrausch und der Sauerstofftoxizität können verschiedene Faktoren die Empfindlichkeit beeinflussen (z. B. körperliche Belastung, schlechte Tagesform, Medikamente, erhöhte Temperatur).

CO-Toxizität

Wird die Luft beim Befüllen der Tauchflasche z.B. mit Abgasen des Kompressors verunreinigt, kann es beim Tauchen zu einer CO-Vergiftung kommen. 
Wichtige Facts zur CO-Intoxikation findet ihr hier

Tauchgase

Oben beschriebene Probleme können bei allen Atemgasen auftreten, abhängig von der Zusammensetzung der Gase. Je höher der Partialdruck an O2, desto niedriger der Partialdruck an N2. Durch den niedrigeren Partialdruck an N2 werden die oben beschriebenen Gefahren minimiert, Austauchpausen können verkürzt werden. Durch den höheren O2-Partialdruck müssen aber andere maximale Tiefengrenzen unbedingt beachtet werden. Die Bezeichnungen NITROX 36 oder EAN 36 steht dabei für 36% O2.

Wissenswert für den Rettungsdienst: Das verwendete Gas muss auf den Tauchflaschen gekennzeichnet sein. Daraus können sich evtl. Hinweise auf die Art des Tauchunfalls ergeben. 

Für das Tauchen in größere Tiefen stehen andere Mischungen mit Helium zur Verfügung (da Helium im Vergleich zu N2 eine niedrigere narkotische Potenz hat).

3. Fact: Therapie: Sauerstoff + Symptomlinderung!

Bei Tauchunfällen gilt die Leitlinie „Tauchunfall“ der GTÜM (Gesellschaft für Tauch- und Überdruckmedizin). Die Leitlinie unterscheidet zwischen der „Ersten Hilfe am Unfallort“ und der „Primärversorgung durch medizinisches Fachpersonal“. 

Die Verdachtsdiagnose „Tauchunfall“ ist wahrscheinlich, wenn

  • aus einem Tauchgerät unter Wasser geatmet wurde oder 
  • aus einer Luftansammlung unter Wasser geatmet wurde (Höhle, Wrack) oder 
  • Apnoe-Tauchgänge durchgeführt wurden (i.d.R. mehrere tiefe) 
    UND
  • milde oder schwere Symptome vorliegen

Laien-Erstversorgung

Entscheidend ist, dass auch sehr milde Symptome sehr schnell versorgt werden. Daher kommt dem Ersthelfer bei dieser Art von Unfall eine besondere Bedeutung zu:

  • Sauerstoffgabe (100% normobar)
  • Taucher, die selbständig trinken können: 0,5-1 Liter Flüssigkeit/Stunde trinken lassen (isotonische, kohlensäurefreie Getränke bevorzugen / keine alkoholhaltigen Getränke) 
  • Wärmerhalt bzw. Schutz vor Überhitzung
  • ruhige Lagerung 
  • KEINE nasse Rekompression (s.u.)
  • bei milden Symptomen: mindestens tauchmedizinische Telefonberatung (bzw. ärztliche Vorstellung)

Unabhängig von dem während dem Tauchen geatmeten Gas ist die schnellstmögliche Versorgung mit 100% Sauerstoff (normobar) wichtig. Die Gabe von Sauerstoff soll nach dem Prinzip „so schnell wie möglich, so hoch konzentriert wie möglich und so lange wie möglich“ erfolgen. Durch das so neu vorgegebene Konzentrationsgefälle soll erreicht werden, dass der erhöhte N2-Partialdruck im Gewebe über die alveoläre Ventilation reduziert wird. Ein hoher O2-Partialdruck kann zudem die Resorption von intrazellulären Gasblasen und daraus resultierende Folgeschäden reduzieren. Das ist auch bei stabilem Kreislauf und bei zusätzlich stabiler Sauerstoffsättigung extrem wichtig. 

Meistens sind Tauchbasen und auch Tauchboote mit Sauerstoffversorgungen (und oft auch mit AEDs) ausgestattet, so dass zumindest durch das dort geschulte Personal eine Sauerstofftherapie sehr früh begonnen werden kann. 

Falls notwendig, sind Maßnahmen zur CPR selbstverständlich ohne Zeitverzögerung sofort nach der Rettung zu beginnen. Bei Verdacht auf einen hypoxischen Kreislaufstillstand wird mit 5 Beatmungen begonnen (siehe Video zum Ertrinkungsunfall).

Kurze Erklärung zur nassen Rekompression – und warum sie so gefährlich ist: 
Dabei würde der Taucher nochmal abtauchen, und sich wieder dem höheren Umgebungsdruck aussetzen. Dieser Versuch der Verkleinerung der Bläschen würde viele Probleme mit sich bringen, und wäre viel zu gefährlich. Auch ist der therapeutische Nutzen sehr fraglich. Es würde dann nämlich wieder N2-haltige Pressluft geatmet werden. Dadurch kommt es zur erneuten N2-Aufsättigung und die Größe der Blasen kann nicht ausreichend reduziert werden.Bei einer plötzlichen Verschlechterung des Zustandes mit Bewusstlosigkeit besteht ohne einen Notaufstieg keine Möglichkeit der sofortigen Hilfe!!! Und dieser würde wieder neue Dekompressionsprobleme und die Gefahr der Wasseraspiration mit sich bringen. Die nasse Rekompression ist also auf jeden Fall zu unterlassen!!!

Versorgung durch den Rettungsdienst

Im zeitlichen Zusammenhang (teilweise werden in der Literatur bis zu 48 h genannt) mit einem Tauchgang neu aufgetretene Symptome sind als Hinweis auf eine mögliche DCI anzusehen. Gleichzeitig muss aber auch die Manifestation anderer akuter Erkrankungen berücksichtigt werden (internistische und neurologische). Spezielle apparative oder labordiagnostische Untersuchungen werden nicht empfohlen. 

Zunächst wird wie immer nach dem ABCDE-Standard vorgegangen, auch das Monitoring richtet sich nach den üblichen notfallmedizinischen Standards (z. B. kann wie bei vielen anderen Notfällen auch bei einem Tauchunfall eine Hypoglykämie der Auslöser sein). 

Nun zur Basis-Therapie der Tauchunfälle: Diese zielt darauf ab, N2-Blasen zu verkleinern bzw. zu minimieren und gleichzeitig die Hypoxie zu beseitigen. 

Sauerstoffgabe über Sauerstoffmaske mit Reservoir, Demand-Ventil oder NIV/CPAP. Sauerstoff möglichst 100%, aber nicht unter 15 l/min, da sonst das Konzentrationsgefälle zu gering ist. 

Für eine repetitive Beurteilung des Symptomkomplexes (der sog. “5Min-Neurocheck”) ist bei ausreichender Vigilanz die Masken-CPAP/NIV-Beatmung einer invasiven Beatmung vorzuziehen. Die Kategorien Bewusstsein, Bewegungsfähigkeit und Wahrnehmung können so wiederholt und standardisiert beurteilt werden. 

Die Sauerstofftherapie sollte lückenlos und konsequent erfolgen. Bei unzureichenden O2-Vorräten sollte zumindest initial mit der höchstmöglichen Sauerstoffkonzentration behandelt werden. 

Moderate Rehydrierung mit 0,5-1 l/Stunde Flüssigkeit oral bzw. i.v. Vollelektrolylösung. Taucher sind durch die Taucherdiurese (s.o.) und die trockene Atemluft meistens dehydriert. Gemäß der Virchow-Trias (beschreibt die Ursachen der Thrombose-Entstehung) wird durch die Hydratation die kapillare Durchblutung und die Fließeigenschaften des Blutes verbessert (weniger Geldrollenbildung der Erythrozyten). 

Vermeidung von Hypothermie: Durch den Aufenthalt im Wasser ist der Taucher wahrscheinlich hypotherm. Er muss vor weiterer Auskühlung geschützt werden (geheiztes Fahrzeug, nasse Kleidung entfernen, Decken). Eine primäre aktive Wiedererwärmung wird nicht empfohlen, da dadurch eine Verschlechterung der Tauchunfall-Symptome ausgelöst werden könnte. 

Ruhiglagerung: Möglichst erschütterungsfrei, um die Entstehung von weiteren Blasen zu vermeiden. Eine Kopftieflagerung wird nicht empfohlen (da der Nutzen nicht belegt ist und das Risiko für ein zerebrales Hirnödem durch den verminderten venösen Rückstrom besteht). 

Der Tauchcomputer sollte unbedingt beim Taucher verbleiben (= in die Klinik mitgenommen werden!). Er kann später ausgewertet werden und liefert evtl. wichtige Daten. Auch sollten weitere Daten zum Tauchgang (z.B. verwendetes Gas) aufgenommen werden. 

War der Tauchpartner unter Wasser der gleichen Situation ausgesetzt wie der Patient (z. B. weil er an einer “Buddyline” mit hochgezogen wurde), sollte er auch überwacht werden. Er könnte auch noch Symptome entwickeln. 

Verunfallte Taucher und deren Tauchpartner sollen nach klinischen Gesichtspunkten nach der Erstversorgung in Absprache mit der Leitstelle in eine Notaufnahme in Nähe einer Druckkammer gebracht werden. Direkte Kontaktaufnahme zur Druckkammer wird nicht empfohlen. Fortbestehende leichte Symptome nach 30 min. suffizienter O2-Therapie oder deren Wiederauftreten werden wie schwere Symptome behandelt. 

Bei milden Symptomen mit Rückbildung innerhalb von 30 Min.-Sauerstoffatmung reichen die normobare Sauerstoffgabe und die 24-std. klinische Überwachung aus (wenn die Symptome nicht wieder auftreten). 

Tauchärztliche Telefonberatung

Die Kontaktaufnahme für eine Tauchärztliche Telefonberatung wird empfohlen. Dort wird u.a. bei der Indikationsstellung für eine Druckkammerbehandlung geholfen. Kennwort: „Tauchunfall“.

4. Fact: HBO = Weitere Verkleinerung der Blasen!

Die hyperbare Oxygenierung (HBO) ist der Goldstandard in der Therapie schwerer DCI. Um neurologische Spätfolgen zu minimieren, muss die Behandlung nach Indikationsstellung schnellstmöglich begonnen werden (mgl. innerhalb 3 Stunden). 

Bei der HBO wird der O2 physikalisch im Plasma gelöst (nicht mehr nur erythrozytenabhängig). Die Oxygenierung der Gewebe wird dadurch deutlich verbessert (eine minimale Zirkulation muss natürlich vorhanden sein). Außerdem kommt es zur Kompression bzw. zur Elimination der Gasblasen.

Der Transport dorthin muss zügig und schonend erfolgen. Ein RTH wird oft trotz vermindertem Umgebungsdruck einem RTW vorgezogen, da der Zeitfaktor entscheidend sein kann (Cave: Eine Flughöhe 300m sollte vermieden werden, denn mit steigender Höhe nimmt der Luftdruck weiter ab, und Bläschen könnten sich weiter vergrößern). 
Die weitere lückenlose Sauerstoffgabe sollte auf dem Transport ins Druckkammerzentrum fortgesetzt werden. Bei unzureichenden O2-Vorräten sollte zumindest initial mit der höchstmöglichen Sauerstoffkonzentration begonnen werden. 

Hier findet ihr eine Liste der Druckkammerzentren.

5. Fact: Vor dem Tauchen: Vermeiden statt heilen!


Der Notaufstieg ist die höchste Risikosituation. Auslöser für einen Notaufstieg sind meist Panik oder technische Probleme. Die eigenen Grenzen zu kennen (und zu akzeptieren) und eine passende Ausrüstung (z.B. Wahl des Anzugs, vereisungssichere Atemregler in sehr kaltem Wasser) sind extrem wichtige Punkte.

Wer dehydriert ist, hat ein höheres Risiko an einer DCS zu erkranken. Die Verläufe sind dann schwerer und schneller. Zur Tauchausrüstung gehören deshalb immer 2 Flaschen: eine Flasche mit Luft gefüllt und eine zweite mit Getränk. Wer aber auf der Bootsfahrt zum Tauchplatz seekrank ist, sollte unbedingt beachten, dass er evtl. nicht mehr tauchtauglich ist. Medikamente gegen Seekrankheit wirken oft zentral dämpfend – die Tauchtauglichkeit ist dadurch wahrscheinlich nicht mehr gegeben. Und wer es bis zum Tauchplatz ohne Medikamente aushält (aber mehrfach über der Reling hängt und die Fische füttert), sollte wohl auch nicht mehr tauchen gehen, weil er dehydriert ist. 

Unterkühlung tritt hauptsächlich durch den Aufenthalt im kalten Wasser auf. Hier bieten die Neoprenanzüge nur bedingt Schutz. Sie können Fluch und Segen zugleich sein: Zum einen isolieren sie gegen die Kälte des Wassers. Das funktioniert zumindest eine Weile, wenn Art und Passform des Anzugs richtig gewählt sind. Muss ein Taucher in seinem Neoprenanzug aber z.B. in den Niederlanden erst einmal seine Ausrüstung über die Deiche schleppen, so dürfte er bei entsprechender Sonneneinstrahlung zum einem schon ziemlich erschöpft vom Tragen der Ausrüstung sein, er wird aber auch schon nassgeschwitzt sein durch den langen Marsch im schwarzen Anzug in der Hitze.

So mancher Taucher geht also schon nicht so ganz fit ins Wasser. Gute Handschuhe und Kopfhauben sind aus meiner Sicht im Winter bzw. generell in sehr kaltem Wasser beim Tauchen absolute Pflicht. Über den Kopf verliert man extrem viel Wärme. Handschuhe sind sehr wichtig, da der Taucher unter Umständen mit kalten, steifen Fingern seine Ausrüstung nicht mehr ausreichend bedienen kann. Das kann zum echten Sicherheitsproblem werden und evtl. bis zur Panik führen.

…und aus aktuellem Anlass: Corona und Tauchen

Der Ausrüstungs-Sicherheitscheck beim Tauchpartner ist auch in Corona-Zeiten dringend notwendig. Nach den Verhaltensregeln zu COVID-19 sollte man natürlich die Ausrüstung des Tauchpartners nicht anfassen. Man kann jedoch den Sicherheitscheck auch gemeinsam mit dem Partner machen, indem man die einzelnen Schritte bespricht und aus sicherer Entfernung beobachtet. Somit lässt sich die Ausrüstung des Tauchpartners auch aus der Ferne beurteilen. 

Bei Leihausrüstungen ist folgendes zu beachten:

Das alleinige Wechseln der Mundstücke ist nicht ausreichend, denn im Fall der Fälle sind auch Teile des Innenlebens des Atemreglers kontaminiert.

DAN Divers Alert Network Europe empfiehlt in der COVID-19 – Präventionsempfehlung am 25.6.2020 die Desinfektion mit 0,1% Natriumhypochlorit-Lösung, wobei Gegenstände mindestes für 5 Minuten eingetaucht werden müssen. Anschließend mit viel fließendem Wasser nachspülen, und trocknen lassen. (Vorsichtsmaßnahmen beachten!)

Mein ganz persönlicher Rat: Wer auf Nummer Sicher gehen möchte, befragt sich bzgl. der Desinfektionsmethode am besten noch beim Gerätehersteller (wer sonst könnte besser Auskunft geben, ob die Technik die Prozedur auf Dauer mitmacht?).

Und für diejenigen, die eine COVID-19 – Infektion durchgemacht haben, gibt DAN Europe medizinische Empfehlungen (vom 23.7.2020): 

  • Wer symptomlos positiv auf SarsCoV2 getestet wurde, sollte 1 Monat mit dem Tauchen pausieren
  • Wer mit Symptomen positiv getestet wurde, sollte nach 3 Monaten Pause eine neue Tauchtauglichkeitsuntersuchung machen lassen
  • Wer auf Grund von Lungensymptomen ins Krankenhaus musste, sollte nach 3 Monaten eine Tauchtauglichkeitsuntersuchung machen lassen (nach einem Lungenfunktionstest, einem Belastungstest und einer hochauflösenden CT der Lunge)
    Alternativ wurde uns von Experten empfohlen, dass insbesondere nach einer Infektion “mit schweren Symptomen” eine 6-monatigen Pause eingehalten werden sollte, danach Tauchtauglichkeitsuntersuchung sowie “große” LUFU, Echo, Labor, Neuro-Untersuchung und ggf. HR-CT Lunge.

Alle Empfehlungen von DAN Europe in Bezug auf Covid-19 (PDF).

Wer taucht, sieht mehr von der Welt 😉

Quellen:

Claus, Kluba, Gries. Tauchunfälle. Notfall + Rettungsmedizin 2018 DOI: 10.1007/s10049-018-0530-8

Wunderlich, Kranich, Staps. Prähospitale Strategie beim Tauchunfall Notarzt 2019; 35 DOI: 10.1055/a-0821-9066

Leitlinie Tauchunfall der GTÜM (in Überarbeitung) und gtuem.org

Moderne Tauchmedizin, 3. Auflage, 2019, Ch. Klingmann, K.Tetzlaff, C. M. Muth

Info-Mail DAN Europe vom 25.6.2020, 23.7.2020

Anhang: “5-Minuten Neurocheck”

Quelle: S2k-Leitlinie Tauchunfall (Link siehe oben)

Autor: Martin Fandler

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