Sonder-NERDfacts: Impfen!

Das Thema Impfung ist aktuell Aller Munde. Viele von uns freuen sich über die fantastische wissenschaftliche Arbeit, die so schnell Impfstoffe produziert hat – und auf dass hoffentlich recht bald wieder ein bisschen “Normalität” in unsere Notaufnahmen, Praxen, Rettungswagen und Intensivstationen zurückkehrt.

Deshalb gibt es Nerdfacts SPECIAL zum Thema Impfen!

Hier findest du noch einige weitere Informationen und Details zum Thema “Impfen”:

1. Wer darf impfen? 

Impfen darf jede approbierte Ärztin bzw. jeder approbierte Arzt. Die Durchführung einer Impfung ist jedoch nicht ausschließlich den Arzt*innen vorbehalten. Pflegekräfte und Arzthelfer*innen mit entsprechender Ausbildung dürfen impfen, wenn der Impfstoff als Arzneimittel von einer Ärztin bzw einem Arzt verordnet wird1

2. Wer stellt die Indikation und haftet für die korrekte Aufklärung? 

Indikation und Kontraindikationen sind von Ärzt*innen zu prüfen. Auch die Haftung sowohl für die Impfung selbst, als auch für eine korrekte Aufklärung und Anamneseerhebung trägt die Ärztin bzw. der Arzt, unabhängig davon, ob sie/ er selbst oder das Personal die Impfung vornimmt1.

3. Aktive versus passive Impfung

Der Begriff der aktiven Immunisierung beeinhaltet das Triggern einer spezifischen Immunantwort nach einer kontrollierten Exposition mit einem Impfstoff („Vakzination“). Der Impfstoff ist ein Antigen, das die spezifische Immunreaktion u.a. in Form der schützenden („neutralisierenden“) Antikörperbildung auslöst. Eine neue Art der aktiven Impfung besteht in der Verabreichung der mRNA, die das Antigen als Impfstoff im Körper der geimpften Person produzieren läßt. Bei einer passiven Impfung hingegen werden Antikörper verabreicht. Eine passive Immunisierung wird in der Postexpositionsprophylaxe eingesetzt.

4. „Lebendimpfstoffe“ versus „Totimpfstoffe“ 

Die Impfstoffe können abgeschwächte lebende Pathogene („Lebendimpfstoffe“) oder abgetötete Keime bzw. deren Bestandteile wie abgeschwächte oder inaktivierte Toxine/ Toxoide oder Membranproteine („Totimpfstoffe“) sein. Die neuartigen mRNA-Impfstoffe zählen zu „Totimpfstoffen“.

5. Welche Applikationsorte werden in der Praxis benutzt? 

Prinzipiell kann eine Impfung oral, intradermal, subkutan und intramuskulär verabreicht werden. Die meisten Impfstoffe werden intramuskulär verabreicht. Der am häufigsten eingesetzte Verabreichungsort ist bei Kindern ab dem 3. Lebensjahr und Erwachsenen der Musculus deltoideus (s. Abbildung oben). Man kann sich dabei am Acromion orientieren. Eine Aspiration vor Injektion wird vom RKI nicht mehr empfohlen.

Impfen – Grafik

6. Praktisches Vorgehen bei der Impfung:

  1. Entkleiden/ Freilegen des M. deltoideus, ggf. des nichtdominanten Arms
  2. Lokale Desinfektion der Injektionsstelle
  3. Rasche Muskelpunktion, senkrecht (ca. 90°) zur Hautoberfläche
  4. Injektion (Aspiration nicht mehr empfohlen)
  5. Entfernen der Nadel und festes Nachdrücken, bei Gerinnungsneigung mindestens 2 Minuten

7. Welche Injektionskanüle sollen für die intramuskuläre Impfung zum Einsatz kommen? 

Auswahl an Kanülen für Impfung

8. Mit welchen Komplikationen ist vor Ort bei einer Impfung zu rechnen? 

Die häufigste relevante Komplikation vor Ort ist eine vasovagale Synkope3. Ein Sturz mit einer möglichen SHT oder anderen Verletzungsmustern soll verhindert werden, die geimpfte Person in horizontaler Lage (ggf. mit angehobenen Beinen) stabilisiert. Als Vorbeugung der Synkopen gilt eine gute Hydrierung vor der Impfung. Die Synkopen ereignen sich innerhalb von 15 Minuten nach der Impfung, so dass eine Nachbeobachtungszeit von einer Viertelstunde meistens empfohlen wird. 

Eine sehr seltene jedoch lebensbedrohliche Komplikation ist eine anaphylaktische Reaktion, die sofort mit Adrenalin 0.5 mg intramuskulär (bei Kindern < 50 kg gewichtsadaptiert 0.01 mg/kg i.m. bzw. nach ERC 6-12 Jahre: 0,3mg i.m.; <6 Jahren: 0,15mg i.m.) behandelt werden soll.  Eine anaphylaktische Reaktion tritt Minuten nach einer erfolgten Injektion ein („Sofortreaktion“). Einzelheiten zur Behandlung: NERDfachts Folge 10/2020 Anaphlylaxie, Video und Shortcut zum Thema Anaphylaxie.

9. Ist eine Einnahme von gerinnungshemmenden Medikamenten wie Marcumar bzw DOAK eine Kontraindikation zur intramuskulären Impfung?

Personen, die gerinnungshemmende Medikamente („Blutverdünner“) wie Marcumar, DOAKs wie Rivaroxaban, Apixaban, Edoxaban und Dabigatran erhalten, können intramuskulär geimpft werden. Sie haben jedoch ein leicht erhöhtes Risiko der Einblutung nach einer i.m.-Injektion, so dass das Verwenden einer möglichst dünnen Kanüle (23 G oder dünner) und das feste Nachdrücken für mindestens 2 Minuten empfohlen wird4,5.

10. Ist das Vorliegen eines akuten respiratorischen Infektes ein Grund, die Impfung zu verschieben? 

Eine leichte Erkrankung wie z.B. eine virale “Erkältung” im Herbst/ Winter ist per se kein Grund eine Impfung nicht durchführen zu lassen. Eine Covid-19-Infektion und eine Influenza-Infektion müssen im Vorfeld aber ausgeschlossen werden. Bei Fieber (≥ 38.5°C) empfiehlt das Robert-Koch-Institut, die Impfung zu verschieben5. Mehr zum Thema Kontraindikationen (RKI).

Impfen auf Youtube:

Hier gibts eine tolle Youtube-Playlist vom RKI zum Thema “Impfungen & Coronavirus”.

Hier noch ein Video des Impfzentrums Stuttgarts “SARS-CoV-2 Impfung Schritt für Schritt”.

Quellen:

  1. RKI: Rechtliche Fragen zum Impfen
  2. Petousis-Harris H. Vaccine injection technique and reactogenicity–evidence for practice. Vaccine 2008;26:6299–304. (Abstract auf Researchgate)
  3. Kroger AT, Atkinson WL, Pickering LK. Chapter 9. General immunization practises. In Plotkin’s Vaccine. 7ed. Elsevier 2017
  4. Centers for Disease Control and Prevention: General recommendations on immunization: recommendations of the Advisory Committee on Immunization Practices (ACIP). MMWR Recomm Rep. 60 (RR 2):1-60 2011 (Volltext)
  5. RKI: Kontraindikationen zur Durchführung von Impfungen

Weitere Informationen zum Thema Impfen beim RKI: “Impfthemen A-Z

Autor: Juri Katchanov

www.jurikatchanov.wordpress.com

2 Gedanken zu „Sonder-NERDfacts: Impfen!“

  1. Das angegebe Injektionsareal , laut Lehrbuch 3 QF unter dem Acromion erscheint mir zu hoch.(bzw zu proximal)
    Man ist da gefährlich nahe am Schultergelenk. Ich hatte einmal in 30 Jahren, bei korrekter Desinfektion und
    Injektion ca 3 Qf unter dem Acromion ,ein Empyem im Schultergelenk, nach Impfung mit Totimpstoff.
    Seither impfe ich nur noch über dem distalen Deltoideus, knapp oberhalb des Ansatzes

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