Therapierefraktäres Kammerflimmern – CPR beyond ACLS

Therapierefraktäres Kammerflimmern stellt Notfallmediziner immer wieder vor Probleme. Was kann man noch tun, welches Management macht Sinn, was sind Möglichkeiten, wenn man mit dem Rücken zur Wand steht?

Generell gilt, dass mit zunehmender Dauer der Reanimation die Datenlage für jegliche Intervention immer schlechter wird. Das bedeutet aber weder, dass man machen kann was man will, noch dass nichts mehr helfen kann. Nur, dass diese Situation in Studien kaum strukturiert untersucht werden kann (Umstände zu unterschiedlich, Kollektiv zu klein etc.) und unser Vorgehen daher in den seltensten Fällen bei prolongierter Reanimation evidenzbasiert sein wird.

Was ist therapierefraktäres Kammerflimmern?

Die Definition ist international nicht eindeutig geklärt, generell spricht man von therapierefraktär, wenn nach 3 adäquaten Schockversuchen weiterhin ein Kammerflimmern besteht. (1) (2)

Häufigste Ursachen:
  • myokardiale Ischämie
  • Intoxikation
  • QT-Verlängerung
  • Elektrolytentgleisungen

Natürlich muss immer nach der Ursache des Kammerflimmerns gesucht werden. Ist die Ursache sicher feststellbar sollte diese umgehend behoben werden!

Welches Antiarrythmikum könnte uns helfen?

Lidocain wurde bereits im ILCOR Update 2019 als dem Amiodaron gleichwertig beschrieben. Amiodaron verlängert die QT Zeit, hier ist der Hauptunterschied zwischen Lidocain und Amiodaron.

Hat der Patient eine verlängerte QT-Zeit (angeboren, Intox/Medikament, Elektrolytentgleisung), dann ist die Gabe von Lidocain vorteilhaft. Insbesondere bei einfallenden ventrikulären Extrasystolen, die auslösend für die Arrythmie sind, kann Lidocain helfen. Plan könnte also sein

Tut sich nach 3 Schocks und Amiodaron nichts, könnten 1mg/kg Lidocain ggf. helfen.

Magnesium wird von den aktuellen Empfehlungen eher als nicht indiziert betrachtet. Wir denken, dass dieses Medikament nahezu nebenwirkungsfrei ist und bei Long-QT und Hypokaliämie durchaus Sinn macht. Stehen diese Differenzialdiagnosen im Raum, macht man wahrscheinlich wenig falsch – handelt aber gegen die ILCOR Empfehlungen.

Betablocker

In der Theorie erscheint die Gabe von Betablockern zur Abschirmung des Herzens vor den arrythmogenen Wirkungen des Adrenalins unter Reanimation sinnvoll. Die Datenlage hierzu ist heterogen und das letzte Wort noch nicht gesprochen. Insgesamt wird über den Stellenwert von sehr kurzwirksamen Betablockern gesprochen (Landiolol oder Esmolol).

Die bisherigen Daten konnten stammen aus kleineren Studien (z.B. hier) und reichen sicherlich nicht für eine generelle Empfehlung. Als Ultima Ratio könnten Betablocker aber eine gute Lösung sein. Aus Mangel an Esmolol (z.B. 3-5mg) könnte auch Metoprolol in niedriger Dosierung (z.B. 1mg) versucht werden. Allerdings liegen keinerlei Studien zu Metoprolol vor und durch die lange Wirkung könnte bei ROSC ein Schock prolongiert werden.

etCO2 und diastolischer Druck während CPR

Die Kollegen von FOAMina haben einen tollen Artikel zum diastolischen Druck unter CPR geschrieben.

Sofern möglich sollte der Blutdruck möglichst invasiv während der Reanimation gemessen werden und Thoraxkompression und Katecholaminegabe so erfolgen, dass ein diastolischer Druck von mind. 25mmHg erreicht wird.

Der etCO2 Wert sollte IMMER unter CPR erhoben werden. Ein Wert <10mmHg geht dabei mit einer sehr geringen ROSC Wahrscheinlichkeit einher, ein Wert >20mmHg gilt als günstig. Dabei eignet sich der etCO2 auch zum Monitoring der Thoraxkompression und kann sogar als Ansporn: “Drück so, dass der Wert über 25mmHg kommt” dienen 😉 Hier und hier gibt es eine schöne Übersicht.

Doppelschock / Double Sequence Defibrillation (DSD)

Ob DSD einen Vorteil bringt oder nicht ist unklar – aktuelle Empfehlungen sprechen sich gegen eine DSD aus! Sicher ist, dass dieses Verfahren durch die Hersteller von Defis nicht angeboten und versichert ist (Offlabel Use, Garantieverlust). Theoretisch könnte der Defi daran Schaden nehmen, auch wenn das bisher nur einmal beschrieben wurde.

Wir halten DSD weiter für eine Möglichkeit bei therapierefraktärem Kammerflimmern (aber klar mit Risiko des Geräteschadens und ohne Leitlinienempfehlung) – was in jedem Fall versucht werden sollte, ist ein Wechsel der Elektrodenposition (z.B. Anterior/Posterior) um einen effektiveren Schock zu applizieren.

Hier, hier und hier ein paar Gedanken und Studien zur DSD.

Hier eine schöne Übersicht von EMCrit.

Zusammenfassend ist eine Änderung Patchposition wichtig, nicht der Doppelschock..

ECLS – wann an die ECMO?

Bei therapierefraktärem Kammerflimmern sollte frühzeitig überlegt werden, ob eine reversible Ursache erkennbar und aktuell behandelbar ist. Ist die Ursache (recht) klar, kann ECLS zur Überbrückung sinnvoll sein.

Präklinisch lässt sich die Ursachensuche oft nur eingeschränkt durchführen, daher ist therapierefraktäres Kammerflimmern sicherlich ein Grund für einen Transport unter CPR in die Klinik oder die präklinische ECMO Anlage.

Wichtig ist dabei aber, dass vor lauter Transport und ECMO die hochqualitative CPR nicht ausser Acht gelassen wird und präklinisch gut behandelbare Ursachen für einen Kreislaufstillstand auch umgehend behandelt werden!

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Autor: Philipp Gotthardt

Ich bin begeisterter Notfallmediziner aus Nürnberg. Ich arbeite in der Notaufnahme, Intensivstation und als Notarzt sowie ärztlicher Dozent und versuche mich mit Nerdfallmedizin an der FOAMed Welt zu beteiligen.

14 Gedanken zu „Therapierefraktäres Kammerflimmern – CPR beyond ACLS“

    1. Hi,
      im Kontext der CPR sind mir dazu keine Studien bekannt. Vorallem wird bei Bolusgabe die LVEF potentiell stakr beeinträchtigt – bei ohnehin schon kardiogenem Schock also ungünstig (daher auch die Kontraindiaktion bei Myokardinfarkt).
      Viele Grüße

  1. Hi Philipp,
    danke für den spannenden Beitrag. Hatte vor ein paar Wochen so einen Fall und hab fast alles, was du oben erwähnt hast versucht. Hab mir diesbezüglich auch noch lange Gedanken gemacht und ein paar Kleinigkeiten fallen mir noch ein:
    – Wie du geschrieben hast ist die Ischämie eine der häufigsten Ursachen und deswegen denke ich, dass in diesem Fall auch an eine Lyse zu denken ist.
    – die Esmololdosierung kommt mir ein wenig niedrig vor. Ich kann das verlinkte Paper leider nicht einsehen-mir sind 0,5mg/kg bekannt. Teilweise wird auch noch eine kontinuierliche Infusion (50-100mcg/kg/min) dazu erwähnt.
    – falls möglich & vorhanden: BGA machen zwecks reversiblen Ursachen, Beatmungsoptimierung etc.
    – frühzeitig daran denken mit solchen Patienten unter laufender CPR ins Krankenhaus zu fahren (Herzkatheter, ECMO). Logistik und Sicherstellung adäquater HDM kann allerdings herausfordernd sein.

    liebe Grüße und schöne Feiertage, Flo

    1. Hi Flo,
      Super Aspekte!
      Bzgl der Dosierung… schwierig die Studien sind ja eher allgemeine Machbarkeit als Dosisfindung. Ich glaube an einen low dose kardioprotektiven Effekt (aber wie gesagt… rein subjektives „hab ich so im gefühl“)

      Bzgl BGA – 100% Zustimmung!
      Bzgl ECMO finde ich ARREST enorm spannend und bin persönlich unsicher ob präklinisch ECMO oder im Schockraum..
      Zu Lyse bin ich immer enorm zweifelnd, wie hoch der Effekt auf den ROSC wirklich ist – vermutlich hast du aber recht, da sollte man noch öfter dran denken (insb bei Vfib)!

      Viele Grüße und schönen 3. Advent

  2. Moin und wieder mal vielen Dank für den tollen Beitrag!

    Gibt es eigentlich Daten/Empfehlungen, ob mit der Defibrillation irgenwann aufgehört werden sollte? Wenn ich in meinem Landkreis weit draußen reanimiere und den LUCAS dazuhole, kann es schonmal 90min dauern, bis ich im ECMO Zentrum bin. Das ergibt dann 20-30 Schocks allein bis zur Übergabe.

    Danke für Eure Arbeit,

    Frohe Vorweihnachtszeit

    1. Vielen Dank! 😊👍🏻 Daten gibt es dazu nicht, vermutlich wird es ab dem 10. Schock (Cave subjektive Schätzung) ohne kausale Therapie keinen Benefit mehr geben..

      Viele Grüße

    1. Hat wiederholt in Studien keinen Vorteil gebracht. War selbst auch lang Verfechter aber die Daten sprechen klar gegen (blindes) Puffern.

  3. Liebe Kollegen,
    vielen Dank für die schönen Zusammenfassung. Ich möchte an dieser Stelle – insbesondere auch vor dem Hintergrund der Ergebnisse der ARREST-Studie – noch einmal den Stellenwert der frühen Indikationsstellung zur eCPR unterstreichen. Die Zeit ist hier der essenzielle Faktor. Es bedarf einer engen Zusammenarbeit zwischen der Präklinik und dem eCPR Zentrum und es ist sehr zielführend, dass derartige Kooperationen bereits im Vorfeld abgestimmt werden. Hier müssen wir alle noch nachbessern und können vermutlich etwas von den Abläufen in der Traumatologie adaptieren.
    Herzliche Grüße aus Köln!

    1. Vielen Dank, mit Alive (präklinische ECMO in Nürnberg) kennen wir das Konzept und glauben auch, dass in mehr eCPR die Zukunft liegt – ARREST ist da ein tolles Signal an die Skeptiker!

      Viele Grüße!

  4. Danke für den tollen Beitrag.

    Wie seht ihr die “grosszügige” Gabe von Calciumglukonat bei therapierefraktärem VF.

    Z.b. wenn es anhand der Dauermedikamentenkombination Hyperkaliämie möglich wäre, aber es keine sicheren Hinweise gibt und BGA präklinisch ja nicht zur Verfügung steht.

    Sollte er dann doch keine Hyperkaliämie gehabt haben, gäbe es Nachteile der Calciumgabe?

    1. Schwierig, bei deutlichen Hinweisen ist die Calciumgabe sicher sinnvoll. Blind als „Trial and Error“ ohne klare Hinweise aber nicht.

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