Im letzten Video haben wir den Status Epilepticus und die neuen Leitlinie dazu diskutiert. Aber – viel häufiger kommen wir nach einem Krampfanfall in Kontakt mit Patient:innen. Was sollten wir dann tun? Welche Abklärung ist sinnvoll?
Und: Wie unterscheidet man eigentlich einen epileptischen Anfall von einer konvulsiven Synkope und dissoziativen Anfällen?
Wir sprechen wieder mit dem Neurologen PD. Dr. Simon Fandler-Höfler:
Zustand nach Krampfanfall
Häufigster Zustand von Pat. im Rettungsdienst / Notaufnahme. Anamnese besonders wichtig! (Epilepsie bekannt? Hinweis auf konvulsive Synkope? Trigger (TINE)?
Immer:
- Neurologische Untersuchung
- Fokussierte Trauma-Untersuchung: Sturz auf den Kopf? Begleitverletzungen?
- bei relevantem Schädelhirntrauma ggf. CCT
Bekannte Epilepsie: Falls häusliche Versorgung gesichert und Trigger nachvollziehbar, Entlassung ev. möglich. Diagnostik nach Bedarf (z.B. Elektrolyte etc.). Fahrverbot aussprechen und dokumentieren! Kontrolle beim behandelnde/r Neurolog:in empfehlen (Anpassung der antikonvulsiven Therapie?)
Erstmaliger Anfall / Epilepsie nicht bekannt: Diagnostik!
- Labor:
- initial sofort BGA mit Elektrolyten
- Blutbild, Elektrolyte, Leber/Nierenwerte, CK, Glukose, TSH, CRP
- bei bek. Epilepsie: Spiegelbestimmung der eingenommenen Antiepileptika
- bei Hinweis auf Meningitis/Encephalitis: Liquorpunktion
- bei klin. Verdacht: ggf. Toxikologie (Anionenlücke?), (Tox-Urin fraglich sinnvoll)
- cCT (im stationären Verlauf meist cMRT) bei neu aufgetretenem epileptischem Anfall oder Sturz auf den Kopf
- EEG akut bei DD nonkonvulsiver Status epilepticus, ansonsten meist im Verlauf
Differenzialdiagnostik
Für einen epileptischen Anfall („echter Krampfanfall”) sprechen:
- Typische Anamnese: Bekannte Epilepsie / strukturelle Hirnerkrankung (z.B. Trauma/Blutung/Schlaganfall)
- „Klassischer generalisierter Anfall“ mit rhytmischen Zuckungen der Extremitäten (tonisch-klonisch, meist über 20), oft Initialschrei.
- Postiktale Phase (langsame Reorientierung, wiederholtes Fragen nach Ereignis)
- Lateralerer Zungenbiss: Zungenbiss alleine ist für Differenzierung nicht hilfreich; lateraler Zungenbiss spricht (eher) für Krampfanfall.
Für eine konvulsive Synkope sprechen:
- Rasches Wachwerden, keine lange Bewusstlosigkeit
- “10-20 Regel“: Weniger als 10 beobachtete „Zuckungen“ plus klassische Trigger eine Synkope (orthostatis, vasovagal, kardiogen)
Für einen dissoziativen Krampfanfall sprechen:
- geschlossene, (aktiv) zusammengekniffene Augen
- unrhythmische, asynchrone (chaotische) Bewegungen
- Wechselnde Intensität der Symptome (spontan oder bei Ablenkung/Schmerzreiz)
- Überstrecken / Stoßende Bewegungen des Beckens („Brücke“)
Bei unklarer Situation: Immer wie „echten“ Krampfanfall behandeln!
Danke, das war sehr informativ und anregend. Mir fällt dazu ein Patient von letzter Woche ein: langjährig bekannte paranoid Schizophrenie, anhaltende Leibeshalluzinazionen trotz ausreichend Zyprexa ( leider erinnere ich mich nicht an die anderen Medikamente), trinke mind 1-2x/ Woche mäßig 3 Bier) bis exzessiv (Flasche Whiskey und mehrere Biere) Alkohol und berichtet, in den letzten 2 Jahren, bisher insgesamt 4 x plötzlich, im Stehen umgefallen zu sein. Zuletzt seien zw C2-Konsum und Ereignis 6 Tage vergangen. Habe für diese Ereignisse jeweils eine retrograde Amnesie. Danach gehe es ihm gut…. den Knöchel habe er sich verstaucht.
Was muss alles abgeklärt werden? EEG/ Epilepsie , konvulsive Synkope? – wie wird die abgeklärt, wenn die Ereignisse quasi alle 1/2 Jahre auftauchen? C2 Enzugskrampf eher unwahrscheinlich, nach 6 Tagen Abstinenz; anderes – ? Danke, für eure Unterstützung !!!
Hallo Johanna und danke für dein positives Feedback!
Pfuh, so ein konkreter Einzelfall ist natürlich schwer zu beurteilen (und entspricht sicherlich mehreren Risikokategorien). So ganz spontan: Vermutlich würde eine Synkopenabklärung Sinn machen, EEG sehe ich jetzt zumindest nicht an erster Stelle.