Kopfschmerzen im Rettungsdienst und ZNA
Der Osterhase war gestern etwas voreilig. Hier sind sie aber nun: die nĂ€chsten NERDfacts đ°
Kopfschmerzen sind ein hĂ€ufiger Grund fĂŒr Patienten die Notaufnahme aufzusuchen oder den Rettungsdienst zu verstĂ€ndigen. Hinter dem Symptom “Kopfschmerz” können sich jedoch vielfĂ€ltige Diagnosen verbergen. Insbesondere prĂ€klinisch fehlen aber diagnostische Möglichkeiten, sodass es gerade dort auf eine gezielte Anamnese und körperlich-neurologische Untersuchung ankommt.
Das pdf zu dieser Folge findet Ihr hier:
Einleitung
Bei 0,5-4,5% der Patienten in Notaufnahmen sind Kopfschmerzen das fĂŒhrende Symptom. Dabei handelt es sich bei den meisten Patienten um so genannte primĂ€re Kopfschmerzen. Nur in wenigen FĂ€llen davon (ca. 5%) stecken hinter den Kopfschmerzen bedrohliche Erkrankungen. Diese mĂŒssen rasch und sicher identifiziert werden.
Fact 1 – PrimĂ€re vs. sekundĂ€re Kopfschmerzen!
PrimÀre Kopfschmerzen sind eigenstÀndige Erkrankungen und machen etwa 90% der Kopfschmerzsyndrome aus. PrimÀre Kopfschmerzen sind nicht lebensbedrohlich, können den Patienten aber sehr belasten. SekundÀre Kopfschmerzen sind Ausdruck einer anderen, ggf. lebensbedrohlichen Erkrankung (z.B. SHT, SAB, SVT, Dissektionen). AuffÀlligkeiten in Anamnese und Untersuchung (Red flags) sollten an eine ernste Ursache denken lassen (siehe Fact 2&3).
Die International Headache Society (IHS) teilt primÀre Kopfschmerzen in 4 Gruppen ein:
- MigrÀne
- Spannungskopfschmerz
- Clusterkopfschmerz und andere trigeminoautonome Kopfschmerzen
- andere primÀre Formen
SekundÀren Kopfschmerzen sind Ausdruck einer anderen Erkrankung. Von der IHS werden hierzu folgende Erkrankungen gezÀhlt:
- HWS- und SchÀdel-Hirn-Trauma
- vaskulÀre Ursache (zervikal oder intrakraniell)
- Substanzgebrauch oder Entzug
- Infektion
- Störung der Homöostase
- Erkrankungen von Gesichts- oder SchÀdelstrukturen
- psychiatrische Störungen
- schmerzhafte LĂ€sionen der kranialen oder fazialen Nerven
Fact 2 – Red Flags Anamnese!
Wie in jedem Notfall ist eine gezielte Anamnese essentiell. Hierbei sollte auf bestimmte Dinge geachtet werden, die fĂŒr eine bedrohliche Erkrankung sprechen (Red Flags). Hierzu zĂ€hlen unter anderem:
StÀrke und Dynamik der Schmerzen
GrundsĂ€tzliche sollte die Art der Kopfschmerzen erfragt werden. Dies kann analog des “OPQRST”-Akronyms erfolgen. Kopfschmerzen “wie noch nie”, Donnerschlagkopfschmerzen oder plötzliches Einsetzen sind Hinweise auf eine sekundĂ€re Ursache und sollten aufmerksam werden lassen.
Erstmanifestation? Ănderung Charakter/IntensitĂ€t?
Die meisten Menschen kennen Kopfschmerzen. Patienten mit hĂ€ufigen Kopfschmerzepisoden können in der Regel genau beschreiben, welche Art Kopfschmerzen sie ĂŒblicherweise haben. Treten Kopfschmerzen aber zum ersten Mal auf oder sind sie anders im Charakter und der IntensitĂ€t als es sonst bekannt ist, sollte man unbedingt genauer hinschauen.
Bewusstseinsstörungen? Krampfanfall? Synkope?
Gehen Kopfschmerzen mit einer anhaltenden oder vorrĂŒbergehenden Bewusstseinsstörung oder einem Krampfanfall einher, ist dringend eine genauere Untersuchung notwendig.
Medikamente, Antikoagulation?
NatĂŒrlich gehört zur Anamnese immer auch die Medikamentenanamnese. Wichtig im Zusammenhang mit Kopfschmerzen sind v.a. Antikoagulantien. Hier sollte immer auch eine Blutung wie ICB/SAB bedacht werden.
Trauma? Schwangerschaft/postpartal? Intoxikation?
Kopfschmerzen nach Trauma sollten an ein zusĂ€tzlich vorliegendes SHT denken lassen. Schwangere Patientinnen oder Patientinnen kurz nach der Geburt haben ein deutlich erhöhtes Thromboserisiko, insbesondere auch fĂŒr Sinusvenenthrombosen, die mit Kopfschmerzen und Sehstörungen einhergehen können. Sind Hinweise auf eine Intoxikation gegeben, sollte unbedingt auf den Eigenschutz geachtet werden. CO-Vergiftungen gehen z.B. auch hĂ€ufig zunĂ€chst mit Kopfschmerzen einher.
höheres Alter? Immunsuppression?
Patienten in höherem Alter haben ein erhöhtes Risiko fĂŒr sekundĂ€re Kopfschmerzursachen. Ebenso Patienten mit einer Immunsuppression. Hier sind insebsondere Infektionen (Meningitis/Encephalitis) in die Differentialdiagnosen mit einzubeziehen.
Zum sehr aktuellen Thema Sinusvenenthrombose nach COVID-Impfung verweisen wir auf die tolle Ăbersicht und Aufarbeitung der PinUpDocs.
Fact 3 – Red Flags Untersuchung!
Bei der körperlichen Untersuchung ist insbesondere eine neurologische Untersuchung erfolgen. Hierbei sollte v.a. auf fokal-neurologische Defizite, Sehstörungen, Sprach- oder Sprechstörungen geachtet werden. Das (BE)FAST-Schema ist fĂŒr Kopfschmerzen nicht validiert, kann aber fĂŒr eine grobe EinschĂ€tzung hilfreich sein.
Hier gibt es weitere Infos zur neurologischen Untersuchung (Teil 1, Teil 2, Teil 3).
Zur Untersuchung gehören unbedingt:
- Vitalparameter (inkl. Temperatur): Fieber, Hyper- / Hypotonie, Tachykardie
- quantitative und qualitative Bewusstseinsstörung
- Meningismus
- Sehstörungen, Anisokorie, harter Bulbus, Rötung, Lakrimation, Horner-Syndrom
- fokal-neurologische Defizite (analog BEFAST-Test)
- neuropsychologische Störung
Fact 4 – prĂ€klinisches Management!
ZunĂ€chst sollte geklĂ€rt werden, ob “Red Flagsâ vorliegen. Sind Hinweise auf eine ernste Ursache vorhanden, sollte dies mit dem Team kommuniziert werden. Das Vorliegen von “Red Flags” Ă€ndert das Management des Patienten erheblich von der PrimĂ€rversorgung ĂŒder die Wahl des Zielkrankenhauses bis hin zur Diagnostik in der ZNA. Liegen sekundĂ€re Ursachen vor, erfolgt möglichst eine Therapie der Ursache. Die exakte Identifikation dieser Ursachen ist prĂ€klinisch aber hĂ€ufig schwierig, sodass sich die Therapie meist nur am ABCDE-Schema orientieren kann (z.B. Atemwegssicherung bei bedrohlicher Vigilanzminderung). Bei V.a. sekundĂ€re Ursache sollte eine Klinik mit Neurologie und/oder Neurochirurgie, bei Trauma ggf. ein Traumazentrum angefahren werden. Zur symptomatischen Therapie können die ĂŒblichen Schmerzmittel eingesetzt werden. NSAID sollten zurĂŒckhaltend eingesetzt werden, sofern sekundĂ€re Ursachen nicht ausgeschlossen sind, da NSAID die Gerinnung beeinflussen können. Möglich zur Therapie sind z.B. Metamizol oder bei stĂ€rkeren Schmerzen Opioide wie z.B. Piritramid.
Bei V.a. Meningitis ist zusÀtzlich unbedingt der Eigenschutz beachtet werden (PPE!). Bei Meningokokkenmeningitis ist zudem eine Postexpositionsprophylaxe des involvierten Teams sinnvoll. Daher lohnt es sich im Krankenhaus nachzufragen, ob sich der Verdacht bestÀtigt hat.
Fact 5 – innerklinisches Management!
Die Diagnostik ist von der wahrscheinlichen Differenzialdiagnose bestimmt. Es stehen Labordiagnostik (v.a. Infektwerte), Schnittbilddiagnostik (v.a. cCT/cMRT mit und ohne Angio) und Liquorpunktion zur VerfĂŒgung. Je nach vermuteter Ursache ist eine weitergehende Diagnostik notwendig. Wichtig ist die Ăbergabe aller Informationen insbesondere von identifizierten Red Flags, damit eine zĂŒgige Ursachensuche erfolgen kann.
Quellen und weiterfĂŒhrende Infos:
Eberhardt O, Topka H. Akuter Kopfschmerz als Notfallsymptom.
Notfallmed up2date 2019; 14: 413â435. doi:10.1055/a-0935-4141
Meister M, Wolf B. Kopfschmerz im Notfall einschÀtzen. Notarzt
2019; 35: 335â346. doi:10.1055/a-0919-8288
Eschbach T., Rosenwick, Ch., SOP PrÀklinisches Management von Kopfschmerzen, Notfallmedizin up2date 2021; 16(01): 6-12 DOI: 10.1055/a-1253-0699
Michl M, Michl GM. Kopfschmerzen. Internist 2017; 58: 892âdoi:10.1007/s00108-017-0279
International Headache Society (IHS) The International Classification of Headache Disorders, 3rd ed. 2017/2018. Im Internet: https://ihs-headache.org/wp-content/uploads/2020/05/ICHDâ3-Pocket-version.pdf
Förderreuther S, Straube A. Kopfschmerzen in der Notaufnahmeâ Schritt fĂŒr Schritt. Neurol up2date 2020; 3: 12â20.doi:10.1055/a-0821-0623
Danke fĂŒr dieses tieferes Wissen im Bereich der Kopfschmerzen. Geht ein bisschen weiter.