Kohlenmonoxid Intoxikation!

Spätestens seit Kohlenmonoxid (CO) -Warner im Rettungsdienst flächendeckend mitgeführt werden, hat die Gefahr für Rettungskräfte zum Glück abgenommen.

Für Betroffene bleibt die CO-Intoxikation weiterhin ein unsichtbarer Killer. Insbesondere beim Management gibt es dabei einige Veränderungen zu früheren Konzepten. Wir haben versucht, das Thema in zwei kompakten Videos für euch aufzuarbeiten:

Grundlagen:

Kohlenmonoxid – Was ist das?

Kohlenmonoxid entsteht bei unvollständigen Verbrennungsprozessen, wenn also während der Verbrennung nicht ausreichend Luft zur Verfügung steht. In der Praxis also zum Beispiel bei defekter Gastherme, Grillen in geschlossenen Räumen, laufender Motor in unbelüfteter Garage, Sisha-Bars (öfter als man denkt!), alte Holzpellets im Keller, auch andere “Motoren” in schlecht belüftetem Raum z.B. Trennschleifer in Keller.

Kohlenmonoxid ist in niedrigen Konzentrationen geruch- und farblos und kann durch seine chemischen Eigenschaften teilweise durch Wände difundieren. Bei höherer Konzentration ist es potentiell hochexplosiv, ein Funke (z.B. durch ältere Klingel) kann ausreichen.

Warum ist Kohlenmonoxid giftig?

Kohlenmonoxid wird von der Lunge aufgenommen und bindet 200-300 mal stärker an Hämoglobin als Sauerstoff (es bildet sich COHb) und verhindert die Abgabe etwaiger an das Hämoglobin gebundender O2-Moleküle in der Peripherie. Hierdurch nimmt de facto die Sauertransportkapazität (bzw. die Fähigkeit, Sauerstoff gezielt an die Organe abzugeben) des Blutes ab. Zudem werden verschiedene Stoffwechselvorgänge gestört und die intrazelluläre Sauerstoffverwertung wird blockiert, hierdurch kommt es zu Zellschäden insbesondere an Nervenzellen (Axone) und am Myokard.

Intoxikation – ab wann, welche Symptome und welche Prognose?

Definition: Eine CO-Intoxikation definiert sich aus der Exposition mit Kohlenmonoxid und einer entsprechenden Symptomatik! Früher oft verwendete COHb Grenzwerte (5% bei Nichtraucher, 10% bei Raucher) schließen bei vorhandender Symptomatik und Exposition eine Intoxikation nicht sicher aus, da nach Klinik und nicht stur nach Wert behandelt wird!

Symptome: Leider sind die Symptome der CO-Intoxikation sehr diffus und unspezifisch. Frühe Symptome sind Kopfschmerz, Übelkeit, Erbrechen, Dyspnoe, Schwindel und Synkopen aber auch gastrointestinale Beschwerden wie Bauchschmerz oder Übelkeit. Insbesondere bei kardial vorerkrankten Patienten oder bei schwerer Intoxikation zeigen sich diffuse kardiale Beschwerden wie Brustschmerz. Bei schweren Intoxikationen treten Bewusstseinstörungen bis hin zu Kreislaufversagen auf.
Bei CO-Intoxikation zeigen Pat. üblicherweise KEINE Zyanose sondern eher rosige Lippen / Haut.

Prognose: Hier liegt das große Problem – die Langzeitschäden der CO-Intoxikation treten Tage bis Wochen nach der akuten Intoxikation auf. Insbesondere Folgen der Nervenschädigung können dann irreversibel sein und korrelieren in ihrer Schwere nicht unbedingt mit dem Schweregrad der initialen Vergiftung. Langzeitschäden sind dabei vielfältig ausgeprägt. Beispielsweise Gedächtnisstörungen, Ataxien oder auch das deutlich erhöhte Risiko für kardiale Erkrankungen sind hier nur Beispiele.

Initiales Management:

Gefahr erkennen:

Das Wichtigste ist, dass man an die CO-Intoxikation denkt! Oft sind Patienten bei Eintreffen schon an die frische Luft gebracht worden oder es wurde gelüftet..

Habt den CO-Warner immer bei euch und überlegt vor Betreten von Einsatzorten, ob Kohlenmonoxid vorhanden sein könnte.

Ein paar Situationen sind höchstverdächtig:

  • unklar bewusstlose Patienten in Badezimmern (Gastherme) oder Heizungkellern bzw. bei Grill/Feuer etc. in geschlossenen Räumen (auch schlecht ziehender Kamin)
  • V.a. Suizid(-versuch) – typisch ist ein Kohlegrill in geschlossenen Räumen (oder Zelten)

Im Zweifel immer Feuerwehr hinzuziehen, viele CO-Warner sind sehr robust und können ggf. auf vor Betreten des Raumes vorsichtig erstmal in den Raum geworfen werden. (Achtung: Das ist pragmatischer NERD-Tipp, Gerät kann natürlich Schaden nehmen – wir übernehmen keine Haftung).

Bei jeder Rauchgasintoxikation muss immer von einer CO-Intoxikation bzw. Exposition ausgegangen werden, sodass bei diesen Patienten bis zum Beweis des Gegenteils eine CO-Intox angenommen werden muss! (Bei Rauchgas-intoxikation muss übrigens immer auch an Cyanidintoxikation gedacht werden)

Rettung:

Bei Verdacht auf CO-Intoxikation oder Alarmierung des CO-Melders gilt vorallem der EIGENSCHUTZ! Das weitere Vorgehen ist dann abhängig von der CO-Konzentration – in Bayern werden hierfür beispielsweise drei verschiedene Warnstufen über den CO-Melder ausgegeben (60ppm Voralarm; 200ppm Gefährdungsalarm; 500ppm Rückzugsalarm). Siehe auch Anweisungen der , DGUV, hier noch etwas genauere Differenzierung.

Patienten sollten schnellstmöglich aus der Gefahrenzone gerettet werden, hierbei sollte bei hohen CO-Konzentrationen (ab 500ppm) eine Rettung nur durch die Feuerwehr erfolgen. Ab 200ppm sollte SOFORT mit dem Patienten die Einsatzstelle verlassen werden. Bei Werten ab 30(-60)ppm (Voralarm) sollte gelüftet werden und theoretisch kann der Patient vor Ort behandelt werden – aus unserer Sicht sollte aber nach den notwendigsten Maßnahmen schnell der Einsatzort verlassen werden.

Diagnostik:

Untersuchung: Da die Beschwerden so unterschiedlich sind, sollte in der Anamnese insbesondere auch nach allgemeinen Symptomen (Schwindel, Kopfschmerz, Übelkeit) gefragt werden, zudem nach kardialen Beschwerden wie Brustschmerz und natürlich Dyspnoe.

Die körperliche Untersuchung sollte eine neurologische Untersuchung umfassen, zudem sollte immer auch nach weiteren Verletzungen (Sturz, Trauma..) oder Hinweisen auf sonstige Intoxikationen gesucht werden.

In der Notaufnahme sollte im Labor auf Zeichen einer Gewebshypoxie oder eines Gewebeschadens geachtet werden, also insbesondere auf eine Laktaterhöhung (oder -Azidose) oder Troponinerhöhung. Natürlich sollte bei entsprechender Anamnese auch an andere Intoxikationen (Anionenlücke, MetHb etc.) gedacht werden.

Nachweis von COHb: Goldstandard ist die BGA, hierbei ist es unwichtig, ob venös oder arteriell – der COHb Wert ist nahezu identisch. COHb Werte ab 3-4% gelten als erhöht, bei Rauchern kann eine chronische COHb Erhöhung von bis zu 10% vorliegen. Photometrische Messungen (Pulsoxy mit COHb Messung) sind nicht (!) genau genug um eine CO-Intoxikation ein- oder auszuschließen und können nur als Anhaltspunkt verwendet werden. Bei asymptomatischen Patienten können sie aber zur Abwägung einer Krankenhauseinweisung verwendet werden bzw. bei schweren Intoxikation zur frühen Indikationsstellung der Druckkammer-Therapie (HBOT).

Ein EKG sollte wegen möglicher kardialer Ischämie erfolgen. Typische Zeichen wären hier zum Beispiel diffuse ST-Senkungen bei ST-Hebung in aVR als Zeichen von globaler Ischämie (hier und hier weitere Infos). Aber auch Rhythmusstörungen oder fokale ST-Hebungen sind absolute Warnzeichen!

Krankenhauseinweisung und Transportziel:

Wann ist eine Krankenhauseinweisung notwendig?

Eine Krankenhauseinweisung nach CO-Exposition ist immer bei V.a. eine Intoxikation notwendig, also bei:

  • symptomatische Patienten (auch bei leichten Beschwerden wie Kopfschmerz)
  • asymptomatische Patienten:
    • ab 5 % CO-Hb (bei Rauchern: ab 10 %)
    • Immer bei Schwangeren und Kindern!

Wann ist eine hyperbare Sauerstofftherapie (Druckkammer) notwendig?

Die hyperbare Sauerstofftherapie (HBOT) sollte schnellstmöglich in den ersten 24h nach Exposition bei Anzeichen einer schweren Kohlenmonoxidvergiftung erfolgen:

  • Bewusstseinsstörungen
  • metabolische Azidose
  • respiratorische Insuffizienz
  • kardiale Ischämie aufgrund von CO-Intoxikation

Bei Schwangen und Kindern sollte frühzeitig auch ohne schwere klinische Symptomatik eine HBOT erwogen werden! Die abschließende Indikation zur HBOT solltein Rücksprache mit einem entsprechenden Zentrum gestellt werden werden!

Meist macht ein Transport in die nächste Klinik Sinn, da dort sowohl eine exakte COHb Messung als auch ggf. ein luftgebundener Transport organisiert werden kann.

Therapie:

Eine schnelle Reduktion des COHb ist ausschlaggebend für die Langzeitprognose des Patienten. Bei der Effizienz des COHb Abbaus gilt Druckkammer > NIV/Beatmung > 100% O2 über Maske.

100% O2 Gabe sollte IMMER bei V.a. CO Intoxikation (siehe Indikation zur Krankenhauseinweisung) erfolgen! Hierfür sollte den Patienten z.B. eine Reservoirmaske mit maximalem Fluss aufgesetzt werden.

NIV Therapie mit 100% Sauerstoff kann die Geschwindigkeit der COHb Elimination nochmals deutlich erhöhen und sollte daher bei Patienten mit hohen COHb Konzentrationen (z.B. >10%) und klinischen Symptomen großzügig erfolgen! Auch großzügig angewendet werden sollte die NIV bei Schwangeren, um das Risiko des Fötus durch schnellstmögliche COHb Elimination zu reduzieren (Siehe auch den Beitrag der Tox-Docs). Zur Effizienz der HFNC-Therapie existiert momentan noch wenig Evidenz, sodass wir hierzu keine Stellung nehmen wollen.

Die jeweilige Therapie sollte erfolgen, bis die Symptome vollständig rückläufig sind (bzw. der COHb Wert unter 3% liegt). Eine “Abschluss BGA” ist in der Notaufnahme also Pflicht!

Follow up?

Da Langzeitschäden initial häufig nicht abgeschätzt werden können, sollte eine neurologische Untersuchung durch den Hausarzt nach 4 Wochen empfohlen werden. Bei kardialen oder neurologischen Beschwerden/Defiziten sollte entsprechend eine ambulante Anbindung erfolgen!

Weitere Quellen:

Danke an dieser Stelle für die wertvollen Ergänzungen zu den Shownotes, die uns erreicht haben, u.a. an Markus von der Feuerwehr Feucht!

Autor: Philipp Gotthardt

Ich bin begeisterter Notfallmediziner aus Nürnberg. Ich arbeite in der Notaufnahme, Intensivstation und als Notarzt sowie ärztlicher Dozent und versuche mich mit Nerdfallmedizin an der FOAMed Welt zu beteiligen.

7 Gedanken zu „Kohlenmonoxid Intoxikation!“

  1. Vor Jahren, als ich noch recht frisch als Notarzt war und wir noch keine CO Melder hatten, hatte ich einen Einsatz bei einem Suizid. Der Patient hatte einen Holzkohlegrill ins Bad geschafft und alle Türritzen und Lüftungen abgeklebt. Der Vater hat uns gerufen, weil er sich Sorgen gemacht hatte. Ist vor uns in die Wohnung, hat auch vor uns die Tür zum Bad geöffnet. Der Grill war schon ausgebrannt und nur noch etwas warm, der Patient natürlich tot. Wir sind aber völlig naiv gewesen und haben die Gefahr für uns komplett unterschätzt. Vielleicht, weil das als Suizidmethode noch nicht so gängig war und wir auch noch nicht so viel Berufserfahrung in der Notfallmedizin hatten. Haben erstmal, und ja, heute schüttelt man den Kopf, aber damals wussten wir es nicht besser, in der Wohnung auf die Polizei gewartet. Fenster und Balkontür natürlich auf. Trotzdem erstmal alle Kopfschmerzen bekommen. Feuerwehr verständigt und draußen weiter gewartet. Zum Glück ist niemandem weiter was passiert. Ein paar Tage später kam vom Landratsamt ein Warnschreiben, daß sich solche Suizide (und auch solche mit irgendwelchen Schwefelsäure-Gemischen) häufen, und wir haben sehr kurz danach unsere CO Melder bekommen. Danke für den schönen Beitrag, der bestimmt dazu beiträgt, daß weniger Leute sich und ihr Team so naiv wie ich damals Gefahren aussetzen!

  2. Hallo zusammen
    Danke für die tollen Videos. Was haltet ihr von Highflow als Alternative zur NIV. Es ist zwar nicht ganz so effektiv, wird aber häufig besser toleriert. Ich kann mir vorstellen, dass gerade die Risikogruppe der Kinder sich eher vom Highflow, als von der NIV überzeugen lassen.
    LG Sebastian

    1. Unbedingt, High-Flow ist definitiv eine sehr gute Alternative! Die Datenlage ist etwas schlechter aber aus unserer Sicht ist das ein sehr sehr gutes Konzept!!

  3. Danke für diesen Beitrag zu meinem Lieblingsthema. Hätte „mein“ Team vor etwa zwei Jahren keinen CO-Warner im Einsatz getragen, könnte ich diesen Kommentar womöglich nicht schreiben.

    Ich möchte mich ausdrücklich eurem Appell anschließen: Tragt den CO-Warner und tragt ihn richtig, d.h. insbesondere offen und nicht verdeckt. Wenn er im Auto liegt, nutzt er nichts, wie eigentlich für jede Form der PSA. Zumindest in meinem Einsatzgebiet wird das Thema meiner Meinung nach leider nicht ausreichend ernst genommen.

    Abschließend noch eine Frage zur Trageweise von CO-Warngeräten in Verbindung mit der aktuell allgegenwärtigen Infektionsschutzkleidung: Habt ihr Informationen oder Empfehlungen zur Kombination Isokittel + CO-Warner? Ist die gängige Infektionsschutzkleidung ausreichend gasdurchlässig, um die Funktionstüchtigkeit des CO-Warners zu gewährleisten? Sollte der CO-Warner ggf. anderswo (Notfallrucksack?) befestigt werden? Gibt es eures Wissens Handlungsempfehlungen der Gerätehersteller zu diesem Thema? Vielen Dank schonmal.

    1. Hi,
      Danke für den Kommentar!
      In der aktuellen Zeit mit Iso ist es sicherlich schwierig. Rucksack bleibt oft draußen, Kleidung bedeckt…
      Du hast vollkommen recht, das ist ungünstig aber eine Handlungsanweisung dazu kennen wir leider auch nicht!

  4. mir ist ein Einsatz untergekommen mit älterem Pat. unklare Beschwerden, bei dem dann im Schlafzimmer der CO Warner los ging. Volles Programm natürlich, Lüftung, Pat. ins Freie, Haus geräumt, Feuerwehr. Die konnten aber kein CO finden im ganzen Haus… Nachher stelle ich in der kleinen Membran am Gaseinlass vom Warner (Dräger PAC) ein kleines Loch fest. Hmm, Handbuch gelesen: das Ding ist auch als H2S Warner einsetzbar, mit einem anderen Filter. Diese weißliche gegitterte Membran schein so ein Gasfilter zu sein – ist das Ding als CO Warner ausgestattet kommt ein Filter rein das nur CO zum Detektor lässt. Mit dem Loch in der Membran hat unseres Verständnisses nach etwas menschliches H2S gereicht (stand direkt neben dem Pat. den Winde geplagt haben)… Schöne Nachrede danach bei den Kollegen der Feuerwehr 🙂

  5. Neben Ischämiezeichen sollte man auch auf die QT-Zeit achten. Verlängerte QT-Zeiten scheinen ein prädiktiver Faktor für neurologische Langzeitschäden zu sein, siehe: PMID: 30356348

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