NERDfall Nr. 15 – Teil 1: Der hochsommerliche Krampfanfall

Und schon wieder ist ein Monat vergangen, womit sich heute NERDfall Nr. 15 in den Ring begibt – wir sind wie immer gespannt auf den argumentativen, kollegialen Schlagabtausch der kommenden Tage!
… um dem Ganzen ein wenig mehr Übersichtlichkeit zu verleihen, diesmal begleitet von einem interaktivem Dokument zur Sammlung aller Ideen und Vorschläge 😉
Aber los geht’s!

Durch die Häuserschluchten einer Großstadt schallen an einem heißen Sommertag, aus verschiedenen Richtungen, die Sirenen zweier Fahrzeuge. Sie nähern sich an und finden schlussendlich in einer gut belebten Fußgängerzone zusammen. Schon beim Abbiegen in ebendiese Straße können die Hinzugerufenen eine Menschentraube ausmachen, welche beim Halten der Autos auseinanderstiebt und so den Blick auf die Szenerie preisgibt:
Eine schlanke, junge Frau liegt, dem Wetter entsprechend nur mit einem dünnen Sommerkleid bekleidet, am gesamten Körper rhythmisch krampfend auf dem Boden.

Unter dem rechten Ellenbogen befindet sich eine prominente Blutlache (Durchmesser ca. 30cm). Sonst fällt die medizinische Bekleidung einiger Umstehenden und z.T. Knienden auf. Ein kurzer Blick auf die Fassade des hinterliegenden Gebäudes lässt auf das Personal des dortigen medizinischen Versorgungszentrums schließen. Offensichtlich konnte mit Hilfe eines Notfallkoffers ein intravenöser Zugang (18G) in die rechte Ellenbeuge etabliert werden. Eine Mitarbeiterin des MVZ hält eine 500ml Infusion in die Höhe und navigiert den Infusionsschlauch entsprechend der unkontrollierten Patientinnen-Bewegungen. Zudem wird der Patientin von einer weiteren Mitarbeiterin über eine vorgehaltene O2-Maske Sauerstoff verabreicht.

Die Patientin wird beim näheren Herantreten unterbewusst auf Mitte Zwanzig geschätzt; sie ist nicht zyanotisch; die Haut wirkt blass-rosig und nicht auffallend schweißig; AZ normal und gepflegt; augenscheinlich nicht eingenässt. Bestimmt bitten die Rettungsdienstler die nicht in die Versorgung eingebundenen Umstehenden nach hinten zu treten bzw. weiterzugehen.
Das Material wird ausgebreitet, während durch einen anwesenden Arzt eine kurze Übergabe an den Notarzt erfolgt:
Laut einer Passantin sei die junge Dame unauffällig mit ihrem Hund vor ihr den Gehsteig entlang gegangen und dann aus dem Nichts kollabiert. Ein Sturz auf den Kopf habe wohl nicht stattgefunden, allerdings hätte dann augenblicklich dieses generalisierte Krampfen angefangen. Da sich die Passantin nicht anders zu helfen wusste, habe sie eine junge Dame in die Praxis geschickt, um Hilfe zu holen und parallel den Notruf abgesetzt.
Er und sein Team hätten inzwischen insgesamt 12mg Midazolam verabreicht; der Patientinnen-Zustand sei allzeit unverändert zum aktuellen Bild gewesen. Das Blut stamme lediglich vom heiklen, erschwerten Anschließens des Infusionssystems. Vitalparameter und BZ konnten bisher nicht erhoben werden.
Auf die Nachfrage nach dem Aufenthalt der Passantin, deutet der Praxis-Arzt zu einer Dame im Hintergrund des Geschehens. Der erwähnte Hund kann vom Notarzt ebenfalls beiläufig im Trubel ausgemacht werden. Von ihm geht keinerlei Gefahr aus.  


Jetzt seid ihr wieder dran!
Wie würdest du weiter vorgehen? Warum?

Äußert natürlich wie immer auch alle anderen Überlegungen zum Fall.


Zusatzinfo 10.09.:
Es wird ein BZ von 88 mg/dl und eine KKT von 36,9°C kommuniziert; der Bodycheck erbringt keine weiteren Erkenntnisse, insbesondere kann kein Zungenbiss ausgemacht werden; die Schleimhäute wirken gut hydriert.

Zusatzinfo 11.09.:
Der Notarzt zückt eine Pupillenleuchte und öffnet gegen Widerstand die Augen
der Patientin. Er kommuniziert beidseits eine prompte Lichtreaktion bei isokoren, mittelgroßen Pupillen.

Zusatzinfo 12.09.:
Der NEF-Fahrer konnte in der Zwischenzeit gemeinsam mit den Umstehenden einen zur Patientin gehörenden Rucksack und einen kleinen Briefumschlag am Halsband des Hundes ausmachen. Der Umschlag trägt die Aufschrift „im Notfall“.
Die Patientin leidet laut Brief an dissoziativen Anfällen. Es bestünde keine Lebensgefahr und keine Epilepsie, man solle ihr keine Benzodiazepine verabreichen. Da sie unter einer PTBS nach schwerer kindlicher Misshandlung leidet, mögen Männer sich möglichst aus dem Sicht- und Hörfeld entfernen. Der Hund sei ein Assistenzhund und solle bei einem Anfall Körperkontakt zur Patientin aufnehmen.
Zudem ist die Handynummer ihres Therapeuten vermerkt.
– wie würdet ihr mit den neuen Infos umgehen? Und vor allem wie weiter verfahren und den Einsatz abschließen? –


Du hast Lust dich direkt mit über 2000 anderen Notfallmedizin-Begeisterten zum Fall auszutauschen oder ein paar geniale Praxis-Tipps aufzuschnappen?
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———————- ACHTUNG NEU! ———————-

Um zum Einen ein wenig Übersicht in die bereits gefallenen Überlegungen und Vorschläge zu bringen und zum Anderen auch nicht Telegram-Gruppenmitgliedern ein besseres Mitverfolgen zu ermöglichen, findet ihr hier ein…

… um genau das zu realisieren.
Tragt also gerne (anonym) alle für euch relevanten Punkte ein und profitiert andersherum bspw. an beschäftigten Tagen, welche das Mitverfolgen der unzähligen Nachrichten schlicht nicht zu lassen, selbst von dieser Update-Möglichkeit 😉

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Hier geht’s inzwischen zu Teil 2 – viel Spaß!

8 Gedanken zu „NERDfall Nr. 15 – Teil 1: Der hochsommerliche Krampfanfall“

  1. Öffnen der Augen gegen Widerstand. Hier wird aktiv vom Patienten gegengearbeitet, das macht der generalisierte Krampfer nicht. Kein Einnässen ist das nächste Indiz für den Dissoziativen Anfall, ebenso das Nichtansprechen auf Midazolam. Also Abschirmen der Patientin, schnell in den RTW. Ggf nach Amola-Richampullen oder sonstigen Hinweisen bei der Patientin suchen, Rückfrage in der Klinik/Angehörige vor weiteren Aktionismus.

  2. Interessant wäre noch ob die Augen offen oder geschlossen sind. Geschlossen würde ja eher in Richtung psychogen leiten. Möglich wäre natürlich auch ein Intox, deshalb würde ich spezifisch nach Einstichstellen schauen. Der Pupillenstatus sollte noch erhoben werden wobei natürlich zu berücksichtigen ist, dass schon Midazolam gegeben wurde.

  3. Ein spontanes Ereignis, keine Veränderung bei 12mg Midazolam i.v. …. Untersuchung nach ABCE, BZ-Kontrolle!, Lagekontrolle des PVZ (ggf. Neuanlage). Weitere Benzodiazepin-Gabe erwägen (i.v. oder nasal). Gibt es bei weiterer Bezo-Gabe keine Reaktion könnte ein psychogenes Geschehen vorliegen. Dann sollte der Hund evtl. gecheckt werden. Ist es ein Begleithund mit einer Sensibilisierung für cerebrale Ereignisse? Dann findet sich eine entsprechende Plakette am Halsband.
    Ggf. Intubation/Narkose und angemeldet zum Maximalversorger: Ausschluß ICB o.ä.

    1. Vorschlag
      Monitorisierung , RR, Pulsoxy, EKG wenn möglich, DD hypoxisch etc…
      Hautfarbe Atmung
      Kennt jemand die Patientin, hat das jemand gesehen?
      Intox?Drogen?Hitze/Hitzschlag? Scheint nicht der Fall zu sein.
      Liegt der Zugang ?
      BZ scheint nicht die Ursache zu sein.
      Augen offen geschlossen? Krämpfe immernoch suddle state? Generalisiert Fokal ?
      Pupillen ?
      Wenn Generalisiert und anhaltend aufsättigung mit levetiracetam oder realistischer Narkose und Bildgebung Kopf und vollständigen Bodycheck nach qoupierung des Anfalls bei Sturzereignis.

  4. Zugang kontrollieren, ob er intravenös liegt. Evtl. Neue Viggo legen und nochmal 5 KG Dormicum spritzen. Unterzuckerung ist es nicht! Geht nicht so schnell.

  5. Ich fange auf jeden Fall mit meinem abcde Schema bei a an, um Übergabe Fehler zu vermeiden.
    Natürlich gehört dann bei d Pupillenkontrolle, bz, und ne Temperatur dazu, zusätzlich bei e die Kontrolle ob irgendwo Pflaster (auf dem Rücken) oder Einstiche zu entdecken sind, (Biene, Wespe o.ä.)

  6. Ihr Lieben, dringend und als erstes bei der weiter krampfenden Patientin einen BZ!! Wenn der normal ist bei Status epilepticus intubieren und Midazolam höher dosieren…. GGLG von Katharina

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