Abbruch der Reanimation

Abbruch einer Reanimation – wirklich kein leichtes Thema! Wir haben versucht ein paar Gedanken und Hilfestellungen dazu zu geben!

Wann macht eine Reanimation noch Sinn und wann hört man lieber auf? Diese Frage stellen sich alle, die in der Notfallmedizin tätig sind, regelmäßig. Gleich vorweg – eine allgemeingültige Aussage dazu kann man kaum geben. Auch ExpertInnen sind sich nicht einig und tatsächlich gibt es eine Grauzone in der Sinn und Rechtmäßigkeit verschwimmen. Philipp hat versucht euch ein paar Anhaltspunkte für die Schwierigste aller Fragen während der Reanimation zu geben.

Reanimation nicht beginnen?

Eine leblose Person wird aufgefunden, keine Lebenszeichen aber auch keine sicheren Todeszeichen… Wie entscheidet man nun, ob eine Reanimation überhaubt begonnen werden sollte?

Hier gibt es zwei Aspekte die relevant sind:

Lehnt der /die Patient:in die Maßnahme ab?

Die Frage ob eine Reanimation von den Patient:innen gewünscht wird, ist in der Praxis ad hoc schwierig zu klären. Anhaltspunkte können aber Patient:innenverfügungen oder die Aussagen der Angehörigen liefern. In wenigen Pflegeheimen existieren bislang gut dokumentierte Hinweise zu den Bewohner:innen. Trotzdem lohnt sich gerade bei hochbetagten oder pflegebedürftigen Patient:innen die Frage “Hätte er/sie der Reanimation zugestimmt?”

Mit alternder Gesellschaft muss auch die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod wieder mehr in den Fokus rücken! Jede/r Patient:in sollte bei Aufnahme im Krankenhaus bzw. Arztkontakt nach entsprechenden Wünschen/Verfügungen gefragt werden.
Wir müssen im persönlichen Umfeld wie auch unter unseren Patient:innen auf entsprechend notwendige Vorsorge hinweisen und selbst als gute Beispiele voran gehen!

Macht die Reanimation medizinisch Sinn?

Hierzu gibt es leider kaum allgemein akzeptierte Aussagen. Die ERC Guidelines haben die “Termination of Resuscitation” (ToR) Kriterien nochmals relativiert (und abgeschwächt).

Warum ist das so?

Ethisch und rechtlich ist die Entscheidung wie gering eine Chance auf Überleben sein muss, um einen Abbruch der Maßnahmen zu rechtfertigen extrem heikel. Wenn eine von 1000 Personen gerettet werden kann, rechtfertigt das dann eine invasive und evtl. würdelose Maßnahme wie die Reanimation bei 999 versterbenden Personen? Allgemein galt lange eine Reanimation als aussichtslos, wenn die Wahrscheinlichkeit eines Überlebens ohne schwerste Folgeschäden bei unter 1% lag – von diesem Wert wurde allerdings mittlerweile Abstand genommen.

Die Debatte zum Thema kann leidenschaftlich geführt werden und letztlich muss immer individuell vor Ort eine Entscheidung gefällt werden.

Wichtig ist die Tatsache, dass unsere ärztliche Aufgabe in dem Fällen einer Entscheidung ebenso liegt, wie in den medizinischen Maßnahmen selbst.

Wenn also eine Reanimation fortgeführt wird, dann niemals aus Angst vor der Entscheidung zum Abbruch und Verlagerung von Verantwortung sondern mit einer medizinisch begründbaren Hoffnung auf eine Überlebenschance.

Was sind Hinweise, dass eine Reanimation nicht begonnen werden sollte:

Aber auch unsere klinische Einschätzung scheint nicht vollkommen schlecht zu sein.

Wirtschaftliche bzw. ökonomische Aspekte

Eine Frage, die medizinisches Personal aus ethischen Aspekten meist kategorisch ablehnt ist die der ökonomischen bzw. gesamtgesellschaftlichen Aspekte. Gerade in der Notfallmedizin darf dieser Aspekt in Einzelsituationen keine Rolle spielen, muss allerdings in der Versorgungsplanung, Vorhaltung und Materialausstattung (leider) beachtet werden.

Es existieren keine endlosen Ressourcen an Geld, Bettenkapazität und insbesondere auch Personal im Gesundheitssystem – ganz vergessen dürfen wir diesen Aspekt also nicht.

Wir können und wollen hier auf diese Frage keine Antwort liefern sondern darauf hinweisen, dass die gesellschaftliche Auseinandersetzung sicherlich unangenehm ist und trotzdem geführt werden muss. Zum Thema ECLS (im amerikanischen Gesundheitssystem) gab es erst kürzlich einen tollen Beitrag zu diesem Thema.

Fortführen / Reanimieren mit “Slow Code”

Unter “Slow Code” wird die absichtlich inneffektive Reanimation verstanden um den Anschein einer Behandlung z.B. bei medizinisch nicht indizierter/chancenloser Situation zu wahren. Von Verfechtern wird häufig angeführt, dass man den Angehörigen das Gefühl geben wollte, man hätte nochmal “Alles versucht” oder die begonnene Laienreanimation nicht als sinnlos aussehen zu lassen. Die ERC Guidelines kritisieren dieses Vorgehen zurecht als medizinisch nicht indiziert und ethisch fragwürdig.

Hilfreich kann in solchen Situationen eine offene Kommunikation oder eben eine kurze aber effektive Reanimation mit klarer (z.B.) Begrenzung der Maßnahmen sein.

Abbruch der Reanimation

Man hat einen Patienten leblos aufgefunden, kurze NoFlow Zeit und trotzdem kann trotz leitliniengerechter Reanimation kein ROSC erzielt werden.. Wann ist es Zeit aufzugeben, wann ist der Abbruch gerechtfertigt?

Hierzu gab es lange eine recht klare und Aussage: Anhaltende Asystolie trotz 20 min erweiterter lebensrettender Maßnahmen (ALS) ohne Vorliegen einer reversiblen Ursache. Auch diese wurde von den neuen Leitlinien zwar noch erwähnt, in der “Allgemeingültigkeit” aber abgeschwächt.

Wichtig: Insbesondere folgende Kriterien sollen NICHT als alleinige Kriterien herangezogen werden:

  • Pupillengröße
  • Dauer der Reanimation
  • endtidaler Kohlendioxidwert (CO2)
  • Begleiterkrankungen
  • initialer Laktatwert
  • Patientenalter

Hierzu muss gesagt werden, dass die Aufzählung extrem heterogen ist und natürlich die Dauer der Reanimation und der etCO2 Wert und Begleiterkrankungen (sowie eingeschränkter das Laktat) bei der Einschätzung der Prognose eine wichtige Rolle spielen können aber eben niemals alleine zur Entscheidungsfindung führen sollten.

Reanimation ist nur eine Überbrückung

Die Reanimation darf nur als Überbrückung bis zur Behandlung und nicht als alleinige Behandlung des/der Patient:in angesehen werden. Können die Ursachen für den Kreislaufstillstand nicht sinnvoll therapiert werden (z.B. massive Hirnblutung, Aortenruptur etc), so macht auch die Reanimation keinen Sinn. Gleichzeitig sollte eine Reanimation bei Vorliegen von Lebenszeichen (Kammerflimmern) nicht abgebrochen werden, bevor reversible Ursachen adäquat behandelt wurden.

Was also tun?

Die Entscheidung eine Reanimation nicht durchzuführen ist zunächst eine (ärztliche) Entscheidung zur medizinischen Indikation – diese liegt bei uns. Bei bestehender Indikation liegt die Entscheidung bei dem/der Pateint:in (geäussert durch Verfügung oder glaubhafte Aussagen der Angehörigen). Ohne vorliegende Informationen sollten wir dem mutmaßlichen Willen folgen. Jede/r Notfallmediziner:in muss in der Lage sein Entscheidungen diesbezüglich zu treffen und diese vor sich selbst, dem Team sowie Patient:innen und Angehörigen zu rechtfertigen.

Leider wird es in der Medizin nur selten schwarz und weiß geben, fast jede unserer Entscheidungen ist insbesondere retrospektiv angreifbar. Dieser Verantwortung und Bürde sollten wir uns bewusst sein.

Achtung: Dieses Thema bewegt sich in einem Graubereich. Unser Ziel ist es euch ein paar Anhaltspunkte für die Praxis zu geben aber keinesfalls generell gültige Aussagen zu treffen. Wir freuen uns über eine rege Diskussion zu diesem Thema.

Weitere Quellen:

Mehr Videos und Inhalte zum Thema Reanimation gibt es hier!

Autor: Philipp Gotthardt

Ich bin begeisterter Notfallmediziner aus Nürnberg. Ich arbeite in der Notaufnahme, Intensivstation und als Notarzt sowie ärztlicher Dozent und versuche mich mit Nerdfallmedizin an der FOAMed Welt zu beteiligen.

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