Notfallkoniotomie: Der chirurgische Atemweg

Die Notfallkoniotomie oder cool auf Englisch “Emergency front of neck access” (eFONA) ist die letzte Rettung in ausweglosen Atemwegsituationen.

Notfallmediziner:innen sollten sich auch mit dieser seltenen Maßnahme beschäftigen und diese nach Möglichkeit auch trainieren. Wir haben mit dem Experten Dr. Peter Uhlig gesprochen und präsentieren euch in zwei Videos viele Details und Tipps aus der Praxis. Dann noch etwas Feines: Dr. Christoph Hüser von ToxDocs hat einen kostengünstigen Airway-Trainer gebaut, uns die Bauanleitung zur Verfügung gestellt und mit Philipp über einige pragmatische Aspekte in der Notaufnahme gesprochen.

Video Teil 1: Notfallkoniotomie Basics
Video Teil 2: Konkrete Durchführung in der Praxis
Video Teil 3: Selbstbau-Trainer und praktische Aspekte

Indikation:

Klassische Indikation ist die “can’t intubate, can’t oxygenate” Situation im Rahmen der Narkoseeinleitung – also eine Situation in der Patient:innen weder intubiert noch beatmet bzw. oxygeniert werden können aber (aufgrund der Narkose) keine suffiziente Eigenatmung mehr haben.

In der Notfallmedizin ist aber auch die primäre Koniotomie bei oberer Atemwegsverlegung denkbar, etwa bei massiven Schwellungen oder Blutungen bzw. Verletzungen oder Verbrennungen im Mund/Rachenraum.

ACHTUNG: Bei jeder Atemwegssicherung sollte im Vorfeld die Indikation sowie Hinweise auf einen schwierigen Atemweg geprüft werden! 
Insbesondere intrahospital sollte wo immer möglich bei erwartet schwierigem Atemweg Hilfe angefordert werden - lässt der Patient:innenzustand es zu sollte primär eine fieberoptische Intubation oder eine primäre Tracheotomie erwogen werden!

Selbstverständlich müssen die “Basics” der Atemwegssicherung durchgeführt (und beherrscht) werden, bevor man über den chirurgischen Atemweg nachdenkt, dazu zählen u.a.:

  • Sauerstoffgabe
  • Nichtinvasive Beatmung (dazu unser Video)
  • Lagerung (z.B. “Flextension” oder auch “Oberkörper Hoch, Gesicht parallel zur Decke”)
  • Maskenbeatmung
  • Intubation inkl. Videolaryngoskopie als “Erstangriff” und Bougie
  • Supraglottische Atemwege inkl. Schwächen und Nachteile der

Einige wichtige Punkte gibt es auch bei unserem Video mit Prof. Michael Bernhard zum Atemwegsmanagement.

Kontraindikationen:

Bei “can’t intubate, can’t oxygenate” (CICO)-Situation und nach Ausreizen aller alternativen Atemwege ist die Koniotomie quasi alternativlos. Bei Kindern < 10 Jahren steigt die Komplikationsrate deutlich an, sodass hier eine relative Kontraindikation vorliegt. Insbesondere bei Säuglingen/Neugeborenen scheint eine Koniotomie kaum erfolgsversprechend. Eine weitere Kontraindikation ist der Zustand Laryngektomie, weil aufgrund der veränderten Anatomie meist nur ein direkter trachealer Zugangsweg möglich ist.

Die Koniotomie:

Vorbereitung:

  1. Antizipiere den schwierigen Atemweg! Wird aufgrund der Evaluation des Atemweges bereits eine schwierige Intubation erwartet, sollte das Set für den chirurgischen Atemweg bereits bereitgelegt werden.

Merke: Dank der Videolaryngoskopie und Bougie ist die “can’t intubate, can’t oxygenate” Situation seltener geworden, trotz gutem Screening und Vorbereitung muss aber immer mit einem unerwartet schwierige Atemweg gerechnet werden und zumindest Ort und Inhalt des chirurgischen Atemwegsset im Team bekannt sein!

  1. Suche das Ligamentum conicum! Ein kurzes Tasten am Hals (“Laryngeal Handshake”) reicht meist aus, um den chirurgischen Zugang zum Atemweg bereits vor der Narkoseeinleitung einmal zu ertasten. Der Expertentipp ist der “modifizierte” Laryngeal Handshake von unten. D.h. man tastet vom Jugulum nach oben – direkt nach der ersten tastbaren Struktur (=Ringknorpel) ist man in der richtigen Position.
    Kann das Ligamentum conicum nicht ertastet werden (z.B. Adipositas), muss von erschwerten anatomischen Bedinungen ausgegangen werden! Wenn die Zeit reicht, kann ggf. sonographisch das Lig. conicum dargestellt werden. In diesen Fällen kann auch das Einzeichnen des Ligaments auf der Haut sinnvoll für einen schnelleren Zugang im Notfall sein.

Sonderfall primäre Koniotomie: Scheint eine Intubation bereits im Vorfeld unmöglich und lässt die Eigenatmung des/der Patient:in eine Vorbereitung zu, so sollte eine Analgesie z.B. mit Esketamin 25mg + Propofol 20-40mg erfolgen. Zudem kann eine Lokalanästhesie z.B. mit 2-3ml Lidocain 1% sinnvoll sein.

Equipment:

  • Skalpell (10er Klinge, bauchig)
  • Bougie
  • 6er Tubus (optimal 6,0 Trachealkanüle)

Zusätzlich (aber im absoluten Notfall primär verzichtbar):

  • sterile Handschuhe
  • Desinfektionsmittel für die Haut
  • Nahtmaterial zum späteren Verschluss des Hautschnittes
  • Material zur Tubusfixierung (z.B. Mullbinde, ev Defi-Patch)
  • Sterile Kompressen

Durchführung:

  1. Kopfüberstreckung und Tasten mit “modifiziertem laryngeal handshake” zur Darstellung der allgemeinen Halsanatomie und des Lig. conicum
  2. Stabilisieren des Larynx mit der nicht-dominanten Hand
  3. Dominante Hand hält das Skalpell und führt eine Stichinzision durch
  4. Drehen des Skalpells um 90° nach “unten” (kaudal)
  5. Einführen des Bougie durch das Ligament in die Trachea für ca. 10cm (bei federndem Wiederstand nicht weiter einführen
  6. Einführen des Tubus (bzw. der Trachealkanüle) über den Bougie bis der Cuff das Ligament vollständig passiert hat
  7. Festhalten des Tubus und Entfernen des Bougie sowie Anschließen des Beatmungsbeutels mit etCO2 Messung
    • Sicherstellung der korrekten Tubuslage mittels Kapnographie und Auskultation
  8. Abschließendes Fixieren des Tubus und Fortsetzen der Beatmung
    • Narkoseeinleitung/-vertiefung
    • Verschluss etwaiger Schnittränder mittels Hautnaht (falls nötig) und lokale Kompression bei weiterer Blutung
    • Fixierung z.B. mit (viel) Leuko, Mullbinde; ev auch durch Defi-Patch möglich (klebt sehr gut, wurde auch zur Fixierung einer Thoraxdrainage beschrieben)

Bei “schwierigem Hals” (erschwerter Anatomie, Strukturen nicht sicher darstellbar):

  1. Kopfüberstreckung und Tasten mit “modifiziertem laryngeal handshake” zur Darstellung der allgemeinen Halsanatomie und des Lig. conicum -> erschwert???
  2. Längsschnitt 8-10cm (mental auf Blutung vorbereiten)
  3. Stumpfe Präparation des Fetts mit den Fingern (manuell) -> wenn Strukturen nun getastet / identifiziert werden können Fortsetzung wie oben:
  4. Dominante Hand hält das Skalpell und führt eine Stichinzision durch
  5. Drehen des Skalpells nach “unten” (kaudal)
  6. Einführen des Bougie durch das Ligament in die Trachea für ca. 10cm (bei federndem Wiederstand nicht weiter einführen
  7. Einführen des Tubus (bzw. der Trachealkanüle) über den Bougie bis der Cuff das Ligament vollständig passiert hat
  8. Festhalten des Tubus und Entfernen des Bougie sowie Anschließen des Beatmungsbeutels mit etCO2 Messung
  9. Sicherstellung der korrekten Tubuslage mittels Kapnographie und Auskultation
  10. Abschließendes Fixieren des Tubus und Fortsetzen der Beatmung
  11. Narkoseeinleitung/-vertiefung
  12. Verschluss etwaiger Schnittränder mittels Hautnaht (falls nötig) und lokale Kompression bei weiterer Blutung

Bausatz Koniotomie-Trainer:

Präsentiert von Christoph Hüser (ToxDocs)

Weitere Quellen:

Autor: Martin Fandler

I like EM, critical care, prehospital EM, medical education and #FOAMed too.

2 Gedanken zu „Notfallkoniotomie: Der chirurgische Atemweg“

  1. Moin Ihr beiden!
    Vielleicht verweist ihr bei den Kids (<10) auf die Nadelkoniotomie/Punktionskoniotomie als Variante der offenen bzw. chir. Koniotomie?! Wenn vorhanden Jet-Ventilation dran und weiter gehts …
    LG Raik

    1. Moin Raik,
      Koniotomie bei Kindern ist ein sehr schwieriges Thema! Die deutsche Leitlinie sagt im Algorithmus einfach: “Nicht bei Kinder”…
      Ich persönlich würde bei Kindern ebenfalls zur chirurgischen Variante greifen, damit fühle ich mich einfach sicherer. Gleiches Skalpell, kleinerer Tubus.
      Punktion ist natürlich auch denkbar, dann sollte allerdings ein geeignetes Beatmungssystem zur Verfügung stehen. Um eine Überblähung der Lunge zu vermeiden und ein ausreichendes Atemminutenvolumen zu generieren, sollte das VENTRAIN eingesetzt werden. Dazu gibt es eine sehr schöne Arbeit aus dem Jahr 2021: A comparison of cannula insufflation device performance for emergency front of neck airway von Caroline M. Mann, in Pediatric Anesthesia.
      Einfach eine große Braunüle und ein Ambulanter-Beutel klappt jedenfalls nicht…

      Aber herzlichen dank für den Hinweis!
      LG Peter

Kommentar verfassen