Die Perikardpunktion ist sicher einer der fortgeschritteneren Skills in der Notfall- und Intensivmedizin. Wir sind daher froh, dass wir mit Dr. Christian Dworeck einen echten Experten zu diesem Thema gefunden haben!
Die ultraschallgesteuerte Perikardpunktion ist heute state of the art!
Hinweis: Für die akute traumatisch bedingte Perikardtamponade / dem traumatischen Arrest gibt es von uns zwei Videos zum Thema “Notfallthorakatomie” mit Prof. Popp und eine Infografik.
Vorbereitung:
Vorbereitung ist die halbe Miete – falls Perikardpunktionssets in eurer Abteilung vorhanden sind, solltet ihr euch diese unbedingt einmal in Ruhe anschauen. Auch etwaige Zuständigkeiten für Perikardpunktionen (kardiologischer Rufdienst etc.) sollten euch vor eurem ersten Notfall bekannt sein. Wenn ihr in die Organisation und Zusammenstellung der Perikardsets involviert seid, macht eine Abstimmung mit anderen Abteilungen Sinn – ein einheitliches Set vereinfacht im Notfall das Punktieren ausserhalb der eigenen Abteilung sehr!
Material:
- Ultraschallgerät mit Sektorschallkopf, Steriler Abdeckung und (falls möglich) Needle-Guide (+ steriles Schallgel)
- Sterile Abdeckung (Lochtuch/sterile Tücher), Hautdesinfektionsmittel
- Lokalanästhesie (z.B. Scandicain in 10ml Spritze mit 20-15G-Kanüle=
- Punktionskanüle – 18G, 15cm lang, optimalerweise mit cm Markierung (+ Ersatzkanüle); 10ml Spritze 1/2 gefüllt mit NaCl zur Aspiration
- Seldingerdraht + Pigtail-Katheter (6-8F, 30cm lang); ggf. ergänzend Dilatator, falls nicht integriert
- Ultraschallkontrastmittel (“aufgeschäumtes” NaCl – Herstellung z.B. HIER)
- Probenröhrchen für evtl. folgende Diagnostik
Für Mikropunktion zusätzlich:
- 20G oder 21G Punktionskanüle 15cm (mindestens 11cm)
- Mikropunktionsdraht 0,018inch 60cm
- Mikrokatheter+Dilatator, für den Wechsel auf den 0,036inch Draht
Wahl der Punktionsstelle für die Perikardpunktion
Punktionsort mit Ultraschall auswählen nach folgenden Kriterien:
- grössten Menge Perikardergusses
- geringer Abstand von Erguß bis Hautoberfläche
- möglichst keine relevanten Strukturen im/am Punktionskanal (z.B. Lunge, Leber, Myokard, Gefäße)
Die drei “üblichen” Punktionsstellen:
- thorakoapikal
- subkostal/subxiphoidal
- parasternal
Die thorakoapikale Punktion gilt zunehmend als Standard, dabei hat die Punktion immer unter Bildgebung (via Ultraschall) zu erfolgen! Eine blinde/landmarkengestützte Punktion sollte nur bei akuter Lebensgefahr und bei Nichtverfügbarkeit eines Ultraschallgeräts versucht werden und ist mit einer wesentlich höheren Komplikations- und Fehlpunktionsrate verbunden!
Im akuten Notfall (Periarrest/Arrest) ist die subxiphoidale Punktion auch aus logistischen Gründen (Zugänglichkeit, andere am Oberkörper/Extremitäten arbeitende Kolleg:innen, Bewegung Patient:in) meist vorzuziehen (siehe unten).
Thorakoapikale Punktion
Punktionsort liegt hierbei linksseitig auf Höhe des 5.-7. ICR in Medioclavivularlinie (ca. 2 Fingerbreit unterhalb der Mamille). Bei Frauen muss die Punktion häufig durch den kaudalen Teil der Brust erfolgen. Der exakte thorakoapikale Punktionsort sollte via Ultraschall aufgesucht werden!
Subkostale/subxiphoidale Punktion
Die Punktion erfolg eine Millimeter unterhalb des Xiphoids mit Stichrichtung in zue linken Schulter. Die subxiphoidale Punktion war ursprünglich die meist angewandte Technik und wird bis heute teils als landmarkengestützte Punktion gelehrt.
Bei der subxiphoidalen Punktion ist der Punktionskanal meist länger, eine Verletzung/Punktion der Leber häufig und der Stichkanal zielt im rechten Winkel auf den rechten Ventrikel/Atrium – akzidentielle Myokardpunktionen sind daher wahrscheinlicher.
Parasternale Punktion
Die parasternale Punktion ist in Ausnahmefällen, z.B. nach Herzchirugie oder bei septiertem Erguss notwendig, wenn der Erguß nicht von apikal oder subxiphoidal zugänglich ist. Das Risiko einer LIMA-Schädigung ist hier grösser (CAVE insb, bei Z.n. ACVB OP).
Die Punktion erfolgt direkt an der linken Sternumkante, sollte jedoch nur in Ausnahmefällen und bei sehr guter Darstellbarkeit im Ultraschall erfolgen.
Die Punktionstechnik:
Vor der Punktion muss die Punktionsstelle steril abgedeckt werden und desinfiziert werden. Das Material sollte nochmal auf Vollständigkeit überprüft werden.
Der/Die Patient:in sollte vollständig monitorisiert sein: QRS Ton gut hörbar einstellen, dazu unbedingt kurzes Team-Time-Out, damit nichts vergessen wird!
Perikardpunktion und Einführen des Drahtes:
- Sonophische Kontrolle des zuvor gewählten Punktionsortes mit sterilem Schallkopf
- ausreichende Lokalanästhesie im Punktionsgebiet. Infiltration des Rippen-Periost und des Interkostalraum an der der Rippenoberkante (nach Infiltration einige Minuten bis zum Wirkeintritt warten!)
- Ca. 2-3 mm Hautschnitt mit dem Skalpell (kann bei Mikropunktion auch später erfolgen, wenn der 0,036i Draht liegt).
- Punktion mit der Punktionskanüle unter sonographischer Sicht
- Achte auf die erwartete Punktionstiefe d.h. wie tief du mit der Kanüle gehen musst).
- Merke dir den Punktionswinkel der Kanüle (du musst später mit dem Pigtail/Dilatator den gleichen Winkel nehmen)
- CAVE LIMA Punktion (meist 1-3 cm lateral des Sternums).
- Punktionsnadel ganz gerade einführen – vermeide unbedingt seitliche Kanülenbewegungen!
- Häufigster “Anfängerfehler”: 18-21G Punktionskanülen sind lediglich in der Längsachse stabil, schon sehr geringe seitliche Bewegungen verbiegen die Kanüle, die dann nur unkontrolliert vorgeschoben werden kann!
- Wenn du während der Punktion merkst, dass du im Schallbild den Punktionskanal verloren hast (kann schnell passieren!) immer die Kanüle zurückziehen und neu punktieren!
- Bei Erreichen des Perikardspalt:
- Aspiration des Ergußes (sieht häufig blutig aus, ggf. hilft eine BGA aus dem Punktat um durch niedrige Hb-Konzentration Punktat von Blut abzugrenzen)
- Lagekontrolle erfolgt sonographisch durch Injektion von 2-5ml “agitiertem” NaCl unter sonographischer Kontrolle
- Ist die Lage korrekt: Kanüle weiter festhalten, Spritze ab, Seldingerdraht einführen! Oft kann man den Draht im Schall sehen.
- Vorschieben des Drahtes, bis der äusserliche Teil des Drahtes ein wenig länger als der Pigtailkatheter ist. Draht nur vorschieben, wenn kein Wiederstand vorliegt!
- Ist der Draht platziert, kann die Punktionsnadel entfernt werden.
Einführen des Pigtailkatheters
Der weiche Katheter kann nur unter Zuhilfenahme eines Dilatators eingeführt werden, herstellerabhängig gibt es unterschiedliche Lösungen, von denen wir zwei hier vorstellen möchten:
- Separater Dilatator (kürzer als der Pigtail-Katheter und ebenso dick):
- Der Dilatator wird über den Draht ein paar Millimeter ins Perikard eingeührt und anschließend unter Belassen des Drahtes wieder entfernt, der Pigtail-Katheter kann nun über den präformierten Kanal vorgeschoben werden
- Dilatator befindet sich im Pigtail und macht diesen steif:
- Der Katheter wird über den Draht mit einliegendem Dilatator vorgeschoben, bis er sich einige Millimeter im Perikard befindet. Der Dilatator wird dann zurückgezogen und der Pigtail vorsichtig weiter in den Perikardspalt eingebracht während du den Dilatator festhältst.
Merke:
- Dilatator und Katheter wird in gleichem Winkel wie die initiale Punktion eingebracht (der weiche Führungsdraht kann die Stichrichtung in der Tiefe nicht ausreichend stabilisieren und verbiegt sonst ggf. im Gewebe)
- Versuche während Dilatation und Katheterplatzierung die Punktionstiefe bis zum Erreichen des Perikards zu beachten, damit abgeschätzt werden kann, in welcher Struktur/Raum sich das eingebrachte Device gerade befindet!
- Achte immer darauf , dass der Draht stets tiefer im Perikardspalt liegt als der Dilatator oder Katheter (ein Dilatator ohne Draht durchdringt alle Organe!!). Der Draht gibt immer mehr Stabilität, je weiter distal er liegt.
Klinische Beurteilung des Punktionserfolges
Nach korrekter Punktion zeigt sich eine klinische Besserung der Tamponade meist nach Aspiration von wenigen Millilitern: Dyspnoe, Tachykardie, Hypotension normalisieren sich rasch. Im Verlauf sollte eine sonographische Kontrolle des Ergusses erfolgen!
Sonderfall: Punktion unter Reanimation / Periarrest:
Unter Reanimation ist die subxiphoidale Punktion am einfachsten (Brustkorb wird für Herzdruckmassage benötigt). Auch in Peri-Arrest Situationen mit motorisch unruhigen, tachypnoischen Patient:innen ist die subxiphoidale Punktion erfahrungsgemäss einfacher durchführbar, da Bewegungen der Patient:innen im Rahmen der Agitation besser kontrolliert werden können. Insbesondere in diesen Extremsituationen sollte möglichst unter sonographischer Kontrolle punktiert werden.
Eine kurze Vorbereitung ist auch hier meist erfolgsversprechender, als eine übereilte und blinde Punktion mit entsprechend hoher Fehlpunktionsrate.
Quellen:
Kardiologi.se (Website von Christian Dworeck): Der obige Text ist eine modifizierte und gekürzte Abwandlung der dort beschriebenen Technik – für mehr Quellen und Details z.B. zu den Kathetern etc. also unbedingt den Link anschauen!
Weitere Quellen:
Warum kein Ketanest zusätzlich zur Lokalen?
Bei ausreichender lokaler Anästhesie benötigt man für die Perikardpunktion üblicherweise keine systemische Analgesie / Analgosedierung.
Tipp zur schnellen Differenzierung bei Aspiration von Blut: ein paar Tropfen des Aspirats auf einen Tupfer geben, bei “Vollblut” entsteht ein homogener roter Fleck, bei blutig tingiertem Erguss mit niedrigem Hb-Anteil entsteht außen ein heller Ring