Pankreatitis
Der Osterbraten liegt noch halb verdaut im Magen, da machen sich stärkste gürtelförmige Oberbauchschmerzen breit. Die Pankreatitis kann eine bedrohliche Erkrankung sein. Gallensteine und Alkohol sind die häufigsten Ursachen einer akuten Pankreatitis. Ende 2021 sind neue Leitlinien zur Pankreatitis erschienen. Die wichtigsten Dos und Don‘ts haben wir euch zusammengefasst.
Das pdf zu dieser Folge findet Ihr hier:
Einleitung
Um die Pankreatitis ranken sich hartnäckige Mythen. Mit einigen wollen wir aufräumen und die wichtigsten Fakten für Euch zusammenfassen. Von den Ursachen über Diagnostik bis zur Ernährung und der Schweregradbestimmung ist etwas dabei.
Fact 1 – Ursachen!
Die häufigsten Ursachen für eine akute Pankreatitis sind Gallensteine und Alkohol. Weitere Ursachen sind Hpercalcämie (z.B. bei Hyperparathyreoidismus), Hypertrigliceridämien, autoimmun-vermittelte Pankreatitis und iatrogene Ursachen (z.B. post-ERCP). Selten sind Tumoren oder ein Pankreas divisum ursächlich für eine Pankreatitis. Das Pankreas divisum ist eine anlagebdingte Anomalie, bei der die Fusion des dorsalen und ventralen Pankreasganges im Verlauf der Embryonalentwicklung unterbleibt. Es gibt also 2 Gänge die getrennt verlaufen (=divisum). Nicht immer findet man in allen Fällen eine Ursache, sodass es auch iodiopathische Formen gibt. Bei jeder Pankreatitis – zumindest bei der ersten Episode – (auch wenn Gallensteine oder ein Alkoholabusus bekannt sind!) müssen die häufigsten Ursachen ausgeschlossen werden.
Neben den genannten Ursachen können viele Medikamente eine Pankreatitis auslösen. Hierunter sind auch viele gängige Medikamente wie ACE-Hemmern, Antidiabetika, Antikonvulsiva und Immunsuppresiva. Unten findet ihr eine Liste mit vielen Beispielen. Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit!
Definitiv: Acetaminophen, Asparaginase, Azathioprin, Cimetidin, Cisplatin, Cytarabin, Didanosin, Enalapril, Erythromycin, Östrogene, Furosemid, Hydrochlorothiazid, Interferon-a2b, Lamivudin, Mercaptopurin, Mesalamin/Olsalazin, Methyldopa, Metronidazol, Octreotid, Opiate,
Oxyphenbutazon, Pentamidin, Pentavalentes Antimon, Phenformin, Simvastatin, Steroide, Sulfasalazin, Sulfmethaxazol/Trimethoprim, Sulindac, Tetracyclin, Valproat.
Wahrscheinlich: Carbamazepin, Cyclopenthiazid, Didanosin, Doxycyclin, Empagliflozin, Enalapril, Östrogene, Famotidin, Furosemid, Hydrochlorothiazid, Liraglutid, Maprotilin, Mesalazin, Rifampin, Sulindac.
Das Akronym “I GET SMASHED” fasst häufige (und weniger häufige) Ursachen zusammen.
I
G
E
T
S
M
A
S
H
E
D
Idiopathisch
Gallenstein
Ethanol
Trauma / Tumor
Steroide
Medikamente, Mumps
Autoimmun
Skorpiongift
Hypercalcämie / Hypertriglyceridämie
ERCP
Divisum
Fact 2 – Diagnostik!
Wie immer ist eine gute Anamnese die Grundlager unserer Diagnostik. Hierbei sind Charakteristik der Schmerzen (meist gürtelförmig im Oberbauch) und Vorerkrankungen wichtig. Insbesondere Gallensteinleiden, Alkoholkonsum oder aber auch das große Grillfest am Vorabend können eine Pankreatitis auslösen. Immer gehört zur Abklärung von Differenzialdiagnosen ein 12-Kanal-EKG dazu, da sich unter der geschilderten Symptomatik auch ein ACS verbergen kann.
Eine Pankreatitis gilt als gesichert wenn mind. 2 von 3 Kriterien erfüllt sind:
- Erhöhte Lipase (2-3x über der Norm)
- Typische Beschwerden (gürtelförmige Oberbauchschmerzen)
- Typische Bildgebung (v.a. Sonographie)
Das CT spielt in der Initialdiagnostik eine untergeordnete Rolle und kommt erst im Verlauf zum Einsatz (oder zum Ausschluss von Differenzialdiagnosen). Viel wichtiger ist die Sonographie. Hier lassen sich rasch Gallensteine, eine Cholestase, Pankreasveränderungen (z.B. ödematöse Schwellung) und freie Flüssigkeit nachweisen.
Die Amylase ist deutlich weniger spezifisch als die Lipase und bietet keinen diagnostischen Mehrwert. Eine Bestimmung ist daher in der Regel entbehrlich. Die Höhe der Lipase wiederum ist kein Marker für die Schwere der Pankreatitis. Daher sind Verlaufskontrollen auch wenig sinnvoll und sagen nichts über den Verlauf.
Zum „Pankreas-Labor“ gehören:
- Blutbild mit Hämatokrit
- CRP
- Kreatinin
- Elektrolyte inkl. Calcium
- Lipase
- LDH
- Triglyceride
- Leberwerte (GOT, GPT, gGT, AP, Bili)
- Autoantikörper nur bei konkretem Verdacht und nach Ausschluss häufiger anderer Ursachen
Fact 3 – Symptome!
Typische Beschwerden sind akute, meist sehr starke, gürtelförmige Oberbauchschmerzen. Zudem können Übelkeit/Erbrechen auftreten. Nicht selten präsentieren sich die Patienten als akutes Abdomen und können blass/grau im Gesicht sein sowie kaltschweißig. Bei biliärer Genese kann ein Ikterus auftreten. Häufig entsteht zudem ein paralytischer (Sub-)Ileus. Ein Pleuraerguss kann als Zeichen der Entzündungsreaktion (meist rechtsseitig) auftreten. Selten treten Hautzeichen (Grey-Turner-, Cullen-Zeichen) auf, die in der Regel nur bei schwerem Verlauf auftreten.
Fact 4 – Therapie!
Kausale Therapie
Die Pankreatitis selbst wird symptomatisch behandelt. Falls möglich und sinnvoll sollten die Auslöser behandelt werden. Bei Cholestase und Steinen im DHC sollte zeit nah eine ERCP erfolgen, um für einen Galleabfluss zu sorgen. Bei äthyltoxischer Pankratitis ist die Alkoholkarenz oberstes Ziel. Alkohol ist zudem der hufigster Auslöser einer chronischen Pankreatitis. Bei autoimmunvermittelter Genese werden Kortison und ggf. andere Immunsuppressiva eingesetzt. Hauptmerkmal liegt aber in der symptomatischen Therapie und adäquater Volumengabe.
Schmerztherapie
Patienten mit Pankreatitis brauchen eine ausreichende Analgesie. Hier können alle gängigen Analgetika eingesetzt werden (sofern keine anderen Kontraindikationen wie Allergien bestehen). Meist sind Opioide notwendig. Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass bestimmte Opioide die Beschwerden verstärken, da sie den Sphinktertonus des DHC erhöhen. Hierzu gibt es keine Evidenz.
Volumentherapie
Patienten mit Pankreatitis haben einen enormen Flüssigkeitsbedarf. Empfohlen werden 200-250ml/h in den ersten 24-48h. Das können schon mal 5-6l oder mehr in den ersten 24h sein. Wichtig ist rechtzeitig die Flüssigkeitsgabe zu reduzieren, um eine Überwässerung zur verhindern, was wiederum die Sterblichkeit erhöht. Die Steuerung der Flüssigkeitsgabe erfolgt anhand von Hkt und dem sonographisch anhand der V. cava. Ziel ist eine Normalisierung des Hkt (meist initial deutlich erhöht) und eine nicht vollständig kollabierende Vena Cava.
Ernährung
Patienten mit Pankreatitis sollen – entgegen weitverbreiteter Meinungen – frühzeitig enterale Ernährung erhalten. Lange Nüchternphasen verschlechtern die Prognose! Auch beatmete Patienten müssen frühzeitig ernährt werden, ggf. mit Magen- oder Jejunalsonde. Die Nüchternheit sollte nicht mehr als 24-48h betragen.
Antibiose
Eine prophylaktische Antibiose ist unnötig, schadet dem Patienten und erhöht nur die Resistenzen verschiedener Bakterien. Antibiotika werden nur bei Hinweis auf eine bakterielle Superinfektion (z.B. bei Nekrosen oder infizierten Zysten) oder Begleitinfektionen (häufig Pneumonie) gegeben. Hier sollte im Zweifel mit einem ABS-Experten (Antibiotic Stewardship) Rücksprache gehalten werden.
Fact 5 – Schweregrad!
Für die Schweregradeinteilung spielt v.a. das transiente (<48h) oder persistierende (>48h) Organversagen eine wichtige Rolle. Zudem sind allgemeine Risikofaktoren (Alter, Komorbiditäten etc.) von Bedeutung. Die SIRS-Kriterien können herangezogen werden, um den Schweregrad abzuschätzen. Eine konkrete Aussage lässt sich aber meist erst nach 48h treffen. Gängige Scores sind z.B. die revidierte Atlanta Klassifikation oder Determinanten-basierte Scores. Es gibt aber zahlreiche weitere Scores, was zeigt, dass es nicht den Score zur Abschätzung gibt.
Die Höhe der Lipase korreliert hingegen nicht mit der Schwere der Pankreatitis. Verlaufskontrollen sind daher in der Regel nicht sinnvoll.
Mild | Moderat | Schwer | |
Organversagen (OV) | Nein | transientes OV | persistierendes oder multiples OV |
Lokale oder systemische Komplikationen | Nein | und/oder vorhanden | vorhanden |
Letalität (%) | 0,1 | 2,1 | 52,2 |
Quellen und weiterführende Infos:
S3 Leitlinie Pankreatitis 2021
Der Internist, Volume 62, issue 10, October 2021, Springer Verlag
Banks et al.: Classification of acute pancreatitis – 2012: revision of the Atlanta classification and definitions by international consensus In: Gut. Band: 62, Nummer: 1, 2012, doi: 10.1136/gutjnl-2012-302779 .
Vielen Dank für den schönen und gut umreißenden Artikel, als Assistenzarzt freut man sich über relativ klare nichtinterventionelle Therapie (Flüssigkeit und Analgesie)
In einem Amboss Podcast zur Pankreatitis mit Prof. Julia Mayerle (LMU München) und zur dgvs Leitlinie sprach sie noch die Sauerstoffgabe an, die wohl Prognoseverbessernd sei, das habe ich in der awmf Leitlinie nicht gefunden, habt ihr dazu Gedanken?
Lg Hendrik
Moin. Vielen Dank für die Rückmeldung. Mir ist nicht bekannt, dass eine prophylaktische O2 Gabe (ohne Hxpoxämie) einen Vorteil hat. Im Gegenteil wird häufig zu unkritische Gabe von O2 aufgrund des vermuteten oxidative Stressen und Bildung freier Radikale nicht empfohlen. Anders ist es natürlich bei Patienten mit schlechter Oxygenierung. Ob es hier im Zusammenhang mit einer Pankreatitis etwas anderes gibt, ist mir persönlich zumindest nicht bekannt.
Eben, zu unkritisch sollte das ja auch nicht passieren, und Hypoxie zu begegnen ist selbstverständlich sinnvoll, danke für die Rückmeldung 🙂
Super 👍,vielen Dank für Ihre Mühe