NERDfall Nr. 26 – Notarzteinsatz in der WG

Es ist Donnerstag und es ist wieder Zeit für Diskussionen, Grübeln und einen guten Austausch. Diesmal schreib ich (Kristin) wieder für euch mit Wiebkes Account und hab euch einen hoffentlich spannenden und nicht alltäglichen NERDfall mitgebracht.

Wollt ihr gleich mit diskutieren? – zur Telegram-Diskussion geht es hier!

Es ist ein kalter Herbstmorgen, als die RTW-Besatzung des neuen Tages die Rettungswache betritt. Während der eine Kollege sein Postfach inspiziert, trottet der andere durch den Aufenthaltsraum und schenkt sich in der Küche erstmal eine Tasse heißen Kaffee ein. Mit schlürfenden Schritten und müden Augen kommt die Besatzung der Nacht aus den Ruheräumen. Bei der gerade beginnenden Übergabe sorgt jedoch der Melder dafür, dass alle am Tisch innerhalb von Sekunden wach sind. 

Nach 10 Minuten erreicht das Team eine Siedlung mit aneinandergereihten Mehrfamilienhäusern, in ähnlichem Baustil. Es zeigt sich eine unübersichtliche und chaotische Situation. Mehrere Fahrzeuge der Feuerwehr sind zu sehen, drei Streifenwagen parken in verschiedenen Einfahrten. Viele Menschen aus den umliegenden Häusern versuchen sich ebenfalls einen Überblick zu verschaffen und stehen mit neugierigen Blicken in den Vorgärten und auf den Bürgersteigen. 

Vor der Zufahrt zum Einsatzort parkt das kurz vorher angekommene NEF. Das Team schnappt sich die beiden Rucksäcke für Kreislauf und Atmung und nimmt EKG und Absaugpumpe mit. Der Notfallsanitäter kontrolliert sicherheitshalber noch, ob der CO-Warner am Rucksack befestigt ist. 

Vor dem Haus steht der Einsatzleiter der Feuerwehr, der die Situation als sicher einstuft und mit einem Kopfnicken das RTW-Team anwies das Haus zu betreten. In einer WG-Küche im zweiten Stock spricht die Notärztin einfühlsam mit einer jungen Frau. Die Patientin ist ca. Mitte 20, schlank und trägt ein altes, ausgebeultes T-Shirt und eine Jogginghose. Sie sitzt vornübergebeugt auf einem alten Holzstuhl. Der Blick wirkt starr, teilnahmslos Richtung Boden. Vor ihr steht ein Putzeimer mit leicht rötlich-schaumigen, geruchlosen Erbrochenem. Die Haut ist blass, glänzt jedoch im Licht der Küchenlampe, auf der Stirn stehen Schweißperlen. Die einzelnen, kurzen Antworten sind schwer zu verstehen, die Sprache ist kloßig. Bereits ohne Stethoskop ist ein grobblasiges, brodelndes Atemgeräusch in der Ausatmung wahrzunehmen.

Der Mitbewohner der Patientin, der an einem alten Küchenschrank lehnt, berichtet betroffen, dass es ihr schon seit einiger Zeit nicht gut gehen würde und sie sich in der WG schon lange Sorgen machen. Sie kann sich seit einiger Zeit nicht mehr um das Studium kümmern, ist ständig müde und antriebslos. Heute morgen ist er von Freunden nach Hause gekommen und hat seine Mitbewohnerin so vorgefunden, daraufhin hat er gleich die 112 gewählt. Vorerkrankungen oder Medikamente sind keine bekannt. Der Mitbewohner gibt an, dass sie vor einiger Zeit den Kontakt zu ihrer Familie abgebrochen hat, da es dort immer viel Streit und Diskussionen gab.

Der Notfallsanitäter kniete sich neben sie und versuchte einen ersten Eindruck zu bekommen. „Könnten sie einmal den Mund öffnen?“ 
Erst nach einigen Sekunden öffnet die Patientin den Mund, die Zunge scheint gerötet und stark geschwollen. Sie atmet angestrengt, stützt ihre Arme auf den Knien ab, die Atemfrequenz ist leicht erhöht bei ca. 20. Auf die Frage was passiert ist, gibt sie keine Antwort und schüttelt nur teilnahmslos und verzögert den Kopf.  

Gleichzeitig greift die Notärztin an das Handgelenk. „Tachykard, rhythmisch“ gibt sie an das Team weiter, die Haut ist kalt. Währenddessen erbricht die Patientin wieder rötlich-schaumig. Das Team beschließt zügig in den RTW zu gehen. Der Rettungssanitäter macht sich auf den Weg die Trage zu holen. Der Notfallsanitäter und die Ärztin stützen die schwache Patientin links und rechts unter den Armen und laufen dem Kollegen entgegen. Die Polizei übernimmt bereits die Aufnahme der Personaldaten und drückt der Notfallsanitäterin des NEFs die Telefonnummer der Schwester in die Hand.


So viel erstmal zu dem Fall – wie geht es deiner Meinung nach weiter?

Was willst du wissen? Was denkst du ist passiert?


4 Gedanken zu „NERDfall Nr. 26 – Notarzteinsatz in der WG“

  1. Ich tippe auf eine Verätzung in suizidaler Absicht, brodelndes AG durch Aspiration oder toxisches Lungenödem, Schwellung, Rötung und Schmerzen durch die Säure.

  2. Insgesamt für einen Notarzteinsatz unzureichende Angaben: kein Puls, keine Sauerstoffsättigung, keine Angaben über die Pupillenreaktion, keine grob neurologische Information, keine Angaben zum Ausmaß der Orientierung. Insofern weites Feld der Differentialdiagnose, ich persönlich halte ein toxisches Lungenödem (Heroin? Venlafaxin) für durchaus möglich..

  3. Die Gesamtsituation lässt eine Intoxikation vermuten, die Symptomatik der Patientin spricht für ein cholinerges Syndrom. Wie ist die Temperatur? Ist irgendwas bei der Patientin auffindbar, zB eine leere Flasche Pflanzenschutzmittel?

  4. Möglicherweise hat das „Erbrechen“ eine pulmonale Quelle? In diesem Falle käme ein toxisches Lungenödem in Betracht. Ggf. hat die Patientin, die ja anamnestisch Anhalt für ein depressives Grundleiden bietet, zuvor einen Suizidversuch mittes Rauchgasinhalation unternommen (und dann abgebrochen)?

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