NERDfall Nr. 27 – Teil 1: Gefährliche Atemnot oder schlichter Infekt?

Und hiermit starten auch die NERDfälle ins Jahr 2023!
Auch wenn Teil 1 einen diesmal nicht mit Patient:innen-Infos überhäuft, sind wir doch gespannt, wie ihr bei der Erstbeurteilung und -untersuchung vorgehen würdet – Mehr Infos folgen wie immer die nächsten Tage 😉

Das RTW-Team beginnt auf der Wache bereits optimistisch seine Siebensachen zusammen zu packen, als es doch noch von einer Einsatzmeldung ereilt wird: „Atemnot akut – Kind 6 Mo“. Es geht mit Blaulicht und Martinshorn als Solo-RTW in eine beschauliche Wohnsiedlung.

Kälte und Dunkelheit scheinen ihren Teil zu den nahezu menschenleeren Straßen beizutragen. Und auch die adventliche Dekoration in Fenstern und Vorgärten lässt auf eine verlockende heimische Gemütlichkeit schließen. Der alleinstehende 42-jährige NFS und die Azubine im 3. Lehrjahr nehmen den Einsatz spürbar ernst, vermuten jedoch am ehesten einen Pseudokrupp oder überforderte Eltern bei erstem Infekt – sie selbst sind beide kinderlos.
Über Funk erfahren sie, dass aktuell alle NEF gebunden seien. Sie sollen sich nach einer Ersteinschätzung melden, ob sie ein NEF aus dem Nachbarkreis brauchen. Für den Disponenten klang es jedoch, als ob sich die Situation vor Ort bereits wieder beruhigt hätte.
Im Eingangsbereich des modernen Einfamilienhauses werden die beiden vom unsicheren, etwas aufgewühlten Vater begrüßt, welcher sie zu Mutter und Kind in den ebenerdigen Wohn-Ess-Bereich führt. Die Mitte-30-Jährige hält ein Bündel auf dem Arm, das verschleimt, mit einer Frequenz von ca. 40/min leise röchelt. Sie wischt sich eine letzte Träne aus dem Gesicht und wippt das Kind seicht auf und ab. Während sich der NFS einen Ersteindruck vom Kind verschafft und die Kollegin das Klebe-Pulsoxymeter vorbereitet, wird berichtet, dass die kleine Marie zwar bereits seit 3 Tagen an Schnupfen leide, heute dann jedoch konstant fiebere, kaum trinke und generell total kraftlos wirke. Als beim Schlafen nun die Lippen auch noch blau erschienen, wählten sie schlussendlich etwas panisch die 112. Nach kurzem, schwachen Schreien hätten die Lippen dann allerdings schnell wieder ihre normale Farbe angenommen.

Die PSA samt FFP2-Masken wird getragen.

Zusatzinfo 1 – 06.01.2023:
Das Team entscheidet sich, die 6-Monatige auf dem Esstisch aus Decken und Body zu befreien. Dabei wird sie sehr unruhig und beginnt erneut geschwächt zu schreien; die Augen werden dabei nur vereinzelt und sehr kurz geöffnet. Die Nase ist deutlich verschleimt, aktuell keine Zyanose, es imponieren subkostale und juguläre atemabhängige Einziehungen und ein blass-rotes stammbetontes, gleichmäßig feinfleckiges Exanthem.

Zusatzinfo 2 – 07.01.2023:
Die Flecken haben keinen petechialen Charakter. Der SpO2-Sensor lässt sich kaum an den unruhigen, kleinen Händen anbringen, misst schlussendlich aber eine Sättigung von 87% und eine Pulsfrequenz von 166/min. Zentrale Rekap-Zeit 3s. Wieder auf dem Arm der Mutter beruhigt sie sich und hustet etwas. Der NFS meint vor allem basal eine Art feuchtes Infektrasseln zu hören. Der konkrete Fieberverlauf wird folgendermaßen geschildert: seit 3 Tagen und insbesondere abends wiederholt fiebrig, mit ca. 38,5°C, heute dann konstant bis ca. 39°C; aktuell: 38,8°C; bisher keinerlei Antipyretika-Gabe. U-Heft und Impfpass belegen eine gesunde, altersentsprechende Entwicklung und Impfungen nach STIKO-Empfehlung. Es gibt einen 3,5-jährigen Bruder, der letzte Woche ebenfalls kränkelte.

Zusatzinfo 3 – 08.01.2023:
In der Zwischenzeit hat der Disponent bzgl. des NEFs nachfragend angerufen; da es ca. 15min bräuchte hat das RTW-Team abgelehnt und möchte einfach direkt mit Signal in die Kinderklinik fahren. Die Nase wird gereinigt und 12l Sauerstoff über eine locker vorgehaltene Maske verabreicht. Die Sättigung steigt daraufhin auf 93%. Aufgrund des AZ werden bei ca. 6,5kgKG noch zügig 125mg Paracetamol als Zäpfchen durch die Eltern verabreicht. Man überlegt zudem etwas NaCl zu vernebeln, um den Schleim zu lösen.
Was meinst du? Ergeben sich daraus womöglich auch potentielle Gefahren?
Man ist inzwischen 16min vor Ort.


Wie würdest du das Kind (erst-)untersuchen? Auf was würdest du besonders achten?
Welche Fragen würden dich zudem interessieren? Warum?
Äußert wie immer auch gerne alle anderen Überlegungen zum Fall!


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