Es war wirklich beeindruckend, wie viele von euch schon fleißig am ersten Fall mitgeknobelt haben – genial, was da an Ideen und Ansätze zusammen gekommen ist!
Und damit geht’s auch schon auf in die nächste Runde:
Allseits bekannt und doch gefürchtet:
tracheotomierte Patient:innen

Bei beginnender Dämmerung wird Mitte Januar ein NAW im Rendez-Vous-System in ein Wohngebiet alarmiert. Die beiden Fahrzeuge kommen ca. zeitgleich vor der Haustür eines Einfamilienhauses zum Stehen. Die Besatzungen werden nach dem Klingeln von einem älteren Herren durch einen engen, verwinkelten Flur ins Wohnzimmer des EGs geführt. Dort treffen sie seine ca. 80 Jährige tracheostomierte Ehefrau im Pflegebett und den Sohn der Eheleute an.
Durch das Wohnzimmer gelangt man ebenerdig in den Garten, welcher das ganze Haus zu umgeben scheint. Offensichtlich geht es um die ältere Dame, welche massiv zyanotisch, tachypnoeisch, agitiert und panisch, flach in ihrem Bett liegt.
Die Angehörigen berichten von einer plötzlich eingetretenen zunehmenden Atemnot.
Während der Notarzt mit der Auskultation und Untersuchung der Patientin beginnt, kümmert sich das Team um Maßnahmen wie das Hochstellen des Bettkopfteils, das Vorbereiten der Absaugpumpe, O2-Gabe über Tracheostoma, Anlage eines peripheren i.v.- Zugangs und das Erheben der Vitalparameter.
Die parallel durchgeführte Fremdanamnese über die Angehörigen bringt folgende Informationen:
Der letzte Trachealkanülenwechsel vor einigen Tagen sei komplikationslos verlaufen, einen Infekt habe sie keinen gehabt, sie sei nicht synkopiert oder gestürzt. Sonst sei sie multipel vorerkrankt und müsse dreimal pro Woche zur Dialyse. Das Tracheostoma habe sie seit der Laryngektomie vor ca. einem Jahr aufgrund eines Larynxkarzinoms.
Die Patientin selbst kommuniziere sonst über ihre Sprechkanüle klar und orientiert; aktuell scheint zu ihr jedoch kein Durchdringen zu sein; nicht einmal Ja-Nein-Fragen können durch ein Nicken oder Kopfschütteln von ihr beantwortet werden.
Zusammenfassend lässt sich Folgendes erheben:
A | Mundraum frei; Schleimhäute zyanotisch u. feucht; HWS o.p.B |
B | Tachypnoe, AF ca. 50/min, abgeschwächtes AG mit dtl. Rasselgeräuschen bds, prominenter exsp. Stridor, massive Zyanose, initiale SpO2 Sättigung 28% |
C | Puls 120bpm, RR syst 160mmHg, zu keiner Zeit offensichtliche AP-Beschwerden |
D | GCS 9 (M4 V3 A2), agitiert, Orientierung fraglich, bewegt alle Extremitäten frei, PERRLA, BZ 168 mg/dl |
E | peripher leichte Ödeme, Dialyse-Shunt Unterarm rechts, sonst Bodycheck o.p.B |
Für den Notarzt ergibt sich zunächst ein unklares Beschwerdebild, am ehesten V.a. kardiales Lungenödem. Er verabreicht 40 mg Furosemid, wobei er jedoch kurz nach der Verabreichung wieder von dieser Verdachtsdiagnose zurücktritt. Weiter verabreicht er titriert 5mg Morphin und Reproterol 0,09mg i.v..
Nach einiger Zeit wird das erste Mal der Sitz der Trachealkanüle überprüft; bei näherer Betrachtung fällt ein deutlich hörbarer inspiratorischer Luftstrom an der Kanüle auf.
Jetzt geht’s ans Rätseln:
1) Was könnte in diesem Fall das Hauptproblem sein?
2) Wie würdest du in einem solchen Fall vorgehen und ggf. eskalieren?
3) Mit welchen Komplikationen sollte man bei tracheotomierten Patient:innen generell rechnen?
Wie beim vorherigen Fall gilt: teile gerne auch andere Gedanken, die dir zu dem Fall und dem Vorgehen in den Kopf kommen.
* Advanced Rucksack: Intubations-Equipment, Magensonde, EZiO, Verbandmaterial, SamSplint,Tourniquet, Entlastungspunktionsnadeln, Beckenschlinge
Zusatzinfo Freitag 10.07.:
Parallel wurden noch einige weitere Werte erhoben und der Medikamentenplan aufgetrieben. An Entlass- & Arztbriefen finden Vater und Sohn lediglich einen einzelnen kardiologischen Bericht von vor 4 Jahren, in dem ein Linksanteriorer Hemiblock beschrieben ist. Die Fachpflege kümmere sich sonst um alles; diese habe heute -am Sonntag- allerdings ihren freien Tag und sei auch telefonisch nicht zu erreichen.
Zur Dialyse gehe seine Frau immer montags, mittwochs und freitags, bringt der verzweifelte Ehemann weiter ein.
Körpertemperatur 37,6°C
CRT 3-4s
EKG: SR, HF 120bpm, üLT bei LAHB, sonst o.p.B.

Zusatzinfo 11.07.:
Das Team stellt bei eingehenderer Untersuchung fest, dass die Trachealkanüle herausgerutscht ist. Bislang geht man davon aus, eine laryngektomierte Patientin und demzufolge ein operativ angelegtes Tracheostoma vor sich zu haben. Umso erschreckender das Bild, das sich dem Team jetzt bietet:
Man blickt auf eine verschlossene Öffnung am Hals der Patientin.
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Teil 2 gibt’s inzwischen hier – viel Spaß!
GM 🙂
Meine Erfahrung sagt mir, immer an das Einfachste zuerst denken und überprüfen. (Verlegung o Behinderung der Atemwege). Und sich dann systematisch Vorarbeiten . Natürlich nicht zu vernachlässigen, der Pat die Todesangst zu nehmen
Dyspnoe bei Kanüle Mit Sättigungsabfall – wie beim intubierten Patienten abarbeiten. Tubuslage verifizieren, Verlegung ausschließen, absaugen, beuteln mit Reservoir über Kanüle, im Zweifel Kanüle raus, neue (wenn nicht verfügbar auch einen 6er-ET übers Stoma) rein, wenn Lage korrekt ggf. Auch Maschine an Tracheostoma (in dem Fall Inlay für Sprechkanüle nicht vergessen). Beim Dialysepatienten und abgeschwächtes AG und RGs riecht erstmal nach hydropischer renaler Dekompensation. 40mg Furosemid beim Dialysepatienten werden ineffektiv sein, Frage nach Restausscheidung, danach Furo-Dosierung. Wenn keine Restausscheidung CPAP(ggf. BIPAP)-Beatmung über Kanüle (gerne PEEP frühzeitig hochtitrieren) und Klinik mit Dialysebereitschaft anfahren.
Infektion selbstverständlich möglich, ändert präklinisch denke ich nix am Procedere, EKG gehört selbstverständlich dazu, eine kardiale Genese würde wahrschl nur in sofern etwas am Procedere ändern, als dass man ggf. ASS und Heparin geben würde.
In der Fallkonstellation und bei doch guter personeller Ausstattung vor Ort wär sicherlich ein frühzeitiges Vorfühlen bzgl. Therapielimitierung sinnvoll
add 1. Expiratorischer Ventilmechanismus durch Cuff oder Gewebeteil vor Stomaöffnung
add 2. medikamentös wie im Fall beschrieben ( im Notfall auch gleich über Shunt), absaugen, deblockieren und gleich neue Kanüle installieren + O2
15 l/Min. Zwischen dem Wechsel tiefe Bronchialtoilette.
Dabei immer auch an mögliche DDs denken!
add 3. zuerst wie oben. Verlegt, abgeknickt. Extratracheale und /oder pulmonale Gründe, bei Palliativpatienten u.U. auch an eine Fremdeinwirkung denken (?)