Nachdem wir bereits über die optimale Vorbereitung für eine Neugeborenenversorgung mit Silja Wurm gesprochen haben, geht es nun um die Versorgung des Neugeborenen in den ersten Minuten. Dabei haben wir mit Silja viele wichtige Aspekte der Basisversorgung besprochen und für euch ein PDF mit den wichtigsten Punkten zusammengestellt. Im zweiten Video geht’s dann um die erweiterten Maßnahmen inkl. einem tollen Dosierungs-Tipp für Adrenalin.
Und hier gibt’s noch den Neugeborenen-Shortcut!

Vorbereitung:
Bei drohender außerklinischer Geburt spielt die Vorbereitung eine große Rolle. Der in Teil eins beschriebene Versorgungsplatz sollte eingerichtet werden, Zugluft vermieden und für Wärme gesorgt werden.
Auch das Team muss vorbereitet werden: Wer übernimmt welche Aufgabe und wird noch weitere Hilfe von externen, spezialisierten Teams benötigt bzw. kann diese auch angefordert werden?
Geburt:
Zur Geburt selbst kannst du unsere Videos mit Steffi anschauen (Teil eins und Teil zwei).
Nach dem vollständigen Heraustreten des Kindes aus dem Geburtskanal erfolgt eine schnelle Erstbeurteilung: Erscheint das Kind vital und schreit, kann das Abnabeln auch erst nach etwa einer Minute erfolgen. Dabei sollte allerdings beachtet werden, dass das Kind etwa auf dem Niveau der Mutter verbleibt, um einen Volumenmangel durch die Nabelschnur zu vermeiden. Ein Ausstreichen der Nabelschnur wird nicht mehr empfohlen. Trotz aller Freude sollte darf das Abtrocknen und der Wärmeerhalt keinesfalls vergessen werden!
Erscheint das Kind avital und zeigt keine Lebenszeichen, wird das Kind sofort, etwa 5-10 cm vom Nabel entfernt, abgenabelt. Wichtig: Generell müssen Nabelklemmen fest verschlossen werden! Richtig verschlossen sollte eine Nabelklemme nicht mehr zu öffnen sein.
Neugeborenenversorgung des leblosen Kindes:
Nach der Abnabelung erfolgt die sofortige Beurteilung von Tonus, Atmung und Herztönen. Zeigt das Kind auch nach gründlicher Stimulation (ca. 30 Sekunden) keinen Muskeltonus, keine Atembewegungen und schlägt das Herz mit weniger als 100 Schlägen/min. sollte zunächst die Lunge belüftet werden.
Freimachen der Atemwege/Beatmung:
Dazu werden die Atemwege frei gemacht, indem das Kind in die sogenannte „Schnüffelposition“ gebracht wird (die Nase als höchster Punkt). Die Schnüffelposition kann zum Beispiel durch eine Schulterrolle erreicht werden, die das große Hinterhaupt ausgleicht. Ein Überstrecken des Kopfes darf keinesfalls erfolgen, dies würde den Atemweg verlegen.
Sind die Atemwege sichtbar mit Mekonium (oder Schleim etc.) verlegt, kann vorsichtig abgesaugt werden. Ein vagaler Reiz an der Rachenhinterwand (Bradykardie) und ungezieltes „Rumstochern“ muss unbedingt vermieden werden! Das früher übliche “Absaugen als Routine” ohne sichtbare Verlegung sollte nicht erfolgen.
Zeigt das Neugeborene nach dem Freimachen der Atemwege weiter keine Reaktion und keine Atembewegung, folgen 5 Blähmanöver.
Mit einer dicht sitzenden Maske und Raumluft erfolgen die fünf prolongierten (über 2-3 Sek.) Beatmungen. Ein Blähmanöver gilt erst bei sichtbarem Heben des Thorax als erfolgreich. Ggf. müssen Maske oder Lagerung optimiert werden. Das Blähmanöver hat einen hohen Stellenwert und muss in jedem Fall adäquat erfolgen!
Nach den 5 Blähmanövern zunächst 30 Sekunden lang Beatmungen durchgeführt und dann die Situation reevaluiert.
Geht es dem Neugeborenen weiter schlecht, gibt es nun folgende Möglichkeiten:
- Herzfrequenz über 100 Schlägen/min. aber Atmung insuffizient bedeutet 30/min beatmen
- Herzfrequenz <60/min (trotz suffizienter Beatmung) bedeutet Thoraxkompression
Hier sind die Aussagen im Video und in den Shownotes etwas unterschiedlich und die Abbildungen der Guidelines etwas ungenau. Nach aktuellem NLS Kursbuch soll nach den 5 Blähmanövern über 30 Sekunden beatmet werden und erst bei Erfolglosigkeit dieser Maßnahmen mit der CPR (3:1) begonnen werden.
Sollte eine Maskenbeatmung nicht möglich sein, bietet sich zur Beatmung von Säuglingen ein nasopharyngealer “Rachentubus” an.
Das ist ein in “Wendl-Position” liegender Trachealtubus (Rachentubus) unter Verschluss von Mund und kontralateralem Nasenloch kann so in den meisten Fällen adäquat beatmet werden. Die Einführtiefe entspricht etwa der Distanz Nasenspitze –Ohrläppchen. Die Tubusgröße sollte in etwa der Nasenöffnung entsprechen. Genau wie bei der Maskenbeatmung müssen erhöhte Beatmungsdrücke vermieden werden, um keine Luft in den Magen zu pressen (max. 20cmH2O).
Thoraxkompression/Reanimation:
Thoraxkompressionen am Neugeborenen erfolgen am effektivsten in Zwei-Daumen-Technik: Der Thorax des Neugeborenen wird mit beiden Händen umfasst und die Daumen über dem unteren Drittel des Brustkorbes platziert.
Die Kompressionen werden beim Neugeborenen im Verhältnis 3:1 im Wechsel mit Beatmungen (FiO2 1,0) durchgeführt. So ergibt sich bei einer Frequenz der Kompressionen von 120/min. und eine Beatmungsfrequenz von 30/min. Alle 30 Sekunden erfolgt nun eine Reevaluation.
Nur in den seltensten Fällen führen die bis hier beschriebenen Maßnahmen bei suffizienter Ausführung nicht zu Erfolg. Dann werden medikamentöse Maßnahmen notwendig.
IV Zugang:
Im Notfall eignet sich als Zugangsweg beim Neugeborenen bei ausreichender Expertise ein Nabelvenenkatheter oder alternativ ein intraossärer Zugangsweg. Gerade der intraossäre Zugang ist für Ungeübte wohl am schnellsten zu etablieren.
In die weichen Knochen des Neugeborenen kann dabei die IO Nadel mit der Hand eingebracht werden. So besteht ein besseres Feingefühl als mit den sonst üblichen Bohrern. Ein peripherer Venenzugang wird nur in den seltensten Fällen schnell gelegt werden und ist daher aus unserer Sicht als primärer Zugang im Notfall ungeeignet (Ausnahme: Neonatologische Kompetenz vor Ort).
Medikation:
Adrenalin 10 mcg/kgKG
Adrenalin wird alle 3-5 min verabreicht ab dem Zeitpunkt eines geschaffenen Zugangsweges.

Aufziehanleitung Adrenalin:
Volumen 10 ml/kgKG über 5-10 min
Als mögliche reversible Ursache sollte ein Volumenmangel ausgeschlossen werden. Der ERC empfiehlt dazu die Gabe eines Volumenbolus von
10 ml/kgKG über 5-10 min. Die tatsächlich zu verabreichende Menge richtet sich nach der Wirkung und es muss beachtet werden, dass eine zu große Menge an Volumen die Gefahr bspw. einer intrakraniellen Blutung erhöht.
Glukose (2,5 ml/kgKG G 10%)
Auch eine postpartale Hypoglykämie kann in seltenen Fällen ursächlich für ein avitales Neugeborenes sein. Es sollte daher unbedingt einmalig der Blutzucker (z.B. an der Ferse) gemessen werden. Bei einem BZ unter 40mg/dl erfolgt die Therapie mit 2,5 ml/kgKG einer 10%igen Glukoselösung.
Fazit:
- Hauptaugenmerk bei der Behandlung eines avitalen Neugeborenen sollte auf den Basismaßnahmen – Stimulation, Wärmeerhalt und Belüftung der Lungen liegen
- Nur wenige Neugeborene werden weitere Maßnahmen wie Thoraxkompressionen oder gar Medikamentengabe benötigen.
- Ein frühzeitiges Hinzuziehen von Experten sollte immer bedacht werden.
Quellen:
ERC Leitlinien 2015 (Versorgung und Reanimation des Neugeborenen)
Hallo,
Ich finde, es gibt eine weitere, vielleicht noch praktischere Art das Adrenalin vorzubereiten.
Eine Ampulle, also 1mg auf 100ml NaCl bzw. wenn nicht vorhanden 0,5mg auf 50ml NaCl.
Dann kann man pro kg KG einfach einen ml geben und das nachspülen und das genau dosieren ist nicht so kompliziert wie bei der auf zehn aufgezogenen Ampulle.
PS könnt ihr vielleicht noch die links zu den empfohlenen podcasts veröffentlichen?
Man kann auch aus der 100ml NaCl das Körpergewicht (z.B. 4 kg = 4 ml) entnehmen und mit 4 mg Adrenalin ersetzen, dann hat man die korrekte Dosierung pro ml. Dies ist vor allem bei älteren Kindern vorteilhaft, da man nicht so viel Zeit ins Aufziehen investieren muss und bessere Kontrolle über das Volumen hat.
Kann es möglich sein, dass die vorgestellte Technik aufgrund der Tatsache beruht, dass bei einem NG eine Flüssigkeitsübersubstituierung vermieden werden möchte? Wenn die Formel 4-2-1 angewendet würde, bei einem 4kg schweren NG, wären dies 16ml Flüssigkeit pro h. Würde Adrenalin nach Algorithmus z.B. 3malig erfolgen und mit einer verdünnung 1mg auf 100ml NaCl, so wären dies pro Gabe 4ml (also 40mcg) – entsprechend bei 3x4ml = 12ml Flüssigkeit insgesammt. Davon abgesehen ist das sonstige Volumen (Volumenbolus bei i.o. Zugang oder nach Verabreichung von Adrenalin) noch nicht dazu gerechnet. Da eine kontrolliere Infundierung in einer solchen kritischen Situation (mit 3:1 Technik) extem schwierig zu kontrollieren ist, kann relativ schnell innerhalb von kurzer Zeit sehr viel Flüssigkeit in ein 4kg schweres NG hineinlaufen. Solche Techniken mit der 1mg Adrenalin auf 10ml NaCl können solche Probleme daher evtl. “vorbeugen”. Meinungen?
Hey, in der gezeigten Technik wird eine 1mg/10ml Adrenalin empfohlen. Von dieser werden bei der Reanimation bei 4kg 0,4ml als der 1ml Spritze gespritzt.
Also wesentlich weniger Volumen als von dir genannt.
Zumindest ist das die gemeint und in der Abbildung dargestellte Verdünnung.
Viele Grüße 😊
Hihi, ja auf das wollte ich auch hinaus. Daher habe ich auch erwähnt, dass mit der von euch vorgestellten Technik (im Verhältnis der in den Kommentaren genannten 1mg Adrenalin auf 100ml NaCl) entsprechend auch weniger Flüssigkeit verabreicht wird. 😉 Wolte nur sicher gehen, dass meine Überlegungen stimmen. In einem Fall in dem das Kind bereits grösser und folglich auch schwerer ist, sind beide Varianten möglich. Bsp: 15kg schweres Kind in der REA Situation (Adrenalin: 10mcg/kgKG würden demnach 150mcg bei 15kg entsprechen). Würde Adrenalin 1mg mit 100ml NaCl verdünnt, müsste man 15ml verabreichen. Würde Adrenalin 1mg in 9ml Nacl verdünnt, müsste man nur 1.5ml verabreichen. Wenn meine Berechnungen stimmen.
Vielen herzlichen Dank für die ganze Arbeit ihr macht! Finde die Beiträge einfach nur Top!
Im Thema Kindernotfäll bin, durch einige BNAW Einsätze, denke ist recht fit. Hab in der NotSan Weiterbildung auch mal in die Kinder Anästhesie reingeschaut! Hab unheimlich viele gelernt und ganz besonders die Angst/ Hemmungen vor dem Umgang mit kleinen Patienten!
Freue mich auf die weiteren Videos!
Macht weiter so
Hallo!
Bei mir hat der Link „Mehr von diesem Beitrag lesen“ nicht funktioniert?!
Ich habe es per Mail bekommen …
Bekomme einen Fehler: „Seite nicht gefunden“?
Besten Dank!
Lg Christian
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CHRISTIAN REISENAUER
Ortsstelle Bad Ischl | Notfallsanitäter u. Praxisanleiter
Österreichisches Rotes Kreuz, Landesverband OÖ, Ortsstelle Bad Ischl
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jetzt müsste es funktionieren 😉 der beitrag ging mitte der woche versehentlich etwas zu früh online.