NERDfall Nr. 33 – Teil 2: Kinder-Reanimation, schwieriger Atemweg & Long-QT-Syndrom

Es liegen erneut 4 Tage Diskussion hinter uns – im Mittelpunkt stand wie zu erwarten die Atemwegssicherung. Das Team im Fall hat diese Herausforderung glücklicherweise gekonnt gemeistert 👏
Doch wie ging dieser spektakuläre Fall denn schlussendlich aus?

[Teil 1 verpasst? Dann schau‘ doch erstmal hier vorbei!]

Zurück an der Einsatzstelle:
Der Krampfanfall wird schlussendlich mit 5mg Midazolam und 60mg Propofol i.v. coupiert.
Nach achsengerechter Umlagerung auf die Vakuummatratze und Transport Richtung RTW kommt dem bodengebundenen Team die Besatzung des RTH entgegen. Es erfolgt eine Übergabe und es wird beschlossen, zur Reevaluation zunächst in den RTW zu gehen. Ihr Heli musste etwas entfernt auf einer Wiese landen; sie wurden von der Polizei zur Einsatzstelle gebracht.
Im RTW zeigt sich der junge Patient intubiert-beatmet (keine hohen Drücke, kein extrem hoher FiO2), ohne Katecholamine kreislaufstabil; die Blutung aus Nasen-/Mund-/Rachenraum sistierte zwischenzeitlich spontan.
Es kann sich immer noch kein Reim aus dem Geschehen gemacht werden aber man entschließt direkt den Maximalversorger via pädiatrisch-chirurgischem Schockraum anzufliegen. Nach telefonischer Voranmeldung und Transportvorbereitung zum und im RTH, hebt dieser tosend ab.
Bei der bodengebunden Besatzung fällt merklich die Anspannung ab. Man registriert erst jetzt, dass  mittlerweile Polizei und Feuerwehr anwesend sind, die Straße abgesperrt und bereits ein KIT* für die Schüler*innen nachgefordert wurde. Die Notärztin und ein NotSan des RTW suchen erneut die Schüler*innen des Erste-Hilfe-Teams auf, um sich zu bedanken und ein anerkennendes Lob auszusprechen.
*Krisen-Interventions-Team

Weiterer innerklinischer Verlauf:
Im Maximalversorger wird eine CT-Traumaspirale gefahren, welche außer einer massiven Blut-Aspiration keine Pathologie und somit auch keine Erklärung für die erlebte Blutung ergibt.
Der Patient wird weiterhin intubiert auf die Kinder-Intensivstation aufgenommen. Nachts wird über die Leitstelle die Feuerwehr alarmiert, um den Schulhausmeister von zu Hause abzuholen, um so den Schul-AED holen und auslesen lassen zu können. Ergebnis:
– Der AED hatte völlig korrekt ein Kammerflimmern mittels Schockabgabe terminiert
– Bei Ankunft von NEF und RTW lag offenkundig ein ROSC vor
– Die Thoraxkompressionen wurden von den Schüler*innen regelrecht und fehlerfrei durchgeführt
– Generell wurde der AED gekonnt und sachgerecht angewendet
Im Verlauf wird in der Kinderklinik ein Long-QT-Syndrom diagnostiziert (Während des Einsatztrubels wurde kein 12-Kanal-EKG geschrieben). Bisher wäre der Patient laut Eltern und ihm selbst jedoch asymptomatisch gewesen und auch die Familienanamnese sei negativ.
Bei entstandener und anbehandelter Aspirationspneumonie kann der Junge nach zwei Tagen erfolgreich geweant und extubiert werden. Es verbleiben keine neurologischen Defizite. Sekundärprophylaktisch wird ein ICD implantiert, die Gentestung bestätigt ein Long-QT-Syndrom Typ II. Die Familie wird gescreent. Die Schüler*innen des Erste-Hilfe-Teams werden mehrfach geehrt.


An dieser Stelle, ich denke im Namen aller, einen kräftigen Dank an die Fall-einreichende Person und die tolle Nachrecherche!

Da es diesmal um keinen Super-Exoten ging sondern tatsächlich eher die Abwägungen und der dynamische Prozess Diskussionspotential geboten hat, haben wir einfach mal zwei bereits bekannte Nerdfallmedizin-Experten um eine kleine Einordnung gebeten: Philipp Jung (Pädiater) und Chris Engelen (Anästhesist)
Nachfolgend hat euch Philipp daher netterweise ein paar themenspezifische Audiokommentare verfasst. Großes Danke an die beiden und sonst natürlich ebenfalls viel Spaß mit dem passendem, verlinkten (NERDfallmedizin-)Material!

Nerdfall Nr. 33 – „Sturz in der Schule“
1. Allgemeine Gedanken zum Fall
2. Kinder-Reanimation
3. Der schwierige Atemweg
4. Das Long-QT-Syndrom & Torsades-De-Pointes
5. Krampfanfall & Status Epilepticus
6. Fazit

1. Allgemeine Gedanken zum Fall


Old but gold:
Video Komplexe Situationen meistern mit Daniel Marx
Video Beat the Stress, Fool! – Handeln in Stresssituationen

2. Kinderreanimation

Hier hat sich ein kleiner Versprecher eingeschlichen: 1mg Adrenalin/10ml ➔ 0,1ml/kgKG = 0,01mg/kgKG

3. Der schwierige Atemweg

  • Videos inkl. Shownotes: zur Atemwegssicherung bei Kindern: Teil 1 & Teil 2: Sonderfälle und Extremsituationen
  • Shortcut: Atemwegssicherung bei kleinen Kindern
  • Hier war Chris zu Besuch: Der schwierige Atemweg Teil 1 & Teil 2
  • Video inkl. Shownotes: Präoxygenierungs-Tipps mit Tobias Becker
  • Videos zur RSI & Download der genialen RSI-Schablone
  • RSI-Checkliste von Moritz zum Download
  • 13. NERDfall: Die SALAD-Technik beim „ertrinkendem Atemweg“
  • Videos 1-3 inkl. Shownotes zur Notfallkoniotomie

    Spezifisches zu Blutungen im Kopf-/Hals-Bereich:
  • Hier Tipps von Chris bei Tonsillektomie-Nachblutung
  • Podcastfolge der PinUpDocs die Anstoß für Druckpunkte bei arterieller Blutung gab
  • Kurzbeitrag zu den Druckpunkten (englisch)
  • Generell gilt:Kompressionszeit so kurz wie möglich halten!
  • ggf. Überbrückungsmöglichkeit bei gezielter Intervention/Intubation

    Veranschaulichung der arteriellen Blutversorgung im Kopf-/Hals-Bereich:

    Gut zu erreichen:
    A. facialis → Gesichtsbereich
    A. temporalis superficialis → Oberflächlicher, oberer Kopfbereich Schläfenregion, z.T. Stirn-, Scheitelregion & Ohr
    A. carotis externa = oberflächlichen Gefäßen übergeordnet → versorgen die meisten Kopf- und Halsweichteile
    CAVE: Gefahr der gleichzeitigen Kompression der A. carotis interna → Hirnischämie-Gefahr + immer nur einseitig komprimieren!

    (Präklinisch) kaum gezielt zu erreichen:
    Tiefe Gesichtsweichteile → A. maxillaris
    Gaumenmandeln → A. facialis, A. maxillaris, A. lingualis, A. pharyngea ascendens
    Rachen → A. pharyngea ascendens
    Kehlkopf & Schilddrüse → A. thyroidea superior
    Locus Kiesselbachii → A. maxillaris & A. carotis interna Vordere Nasenregion; oft verursachend bei Nasenbluten

4. Das Long-QT-Syndrom (LQTS) & Torsades-De-Pointes

  • 16. NERDfall: Alles zum Long-QT-Syndrom & Torsades-De-Pointes
  • Video samt Shownotes mit Klaus zu unregelmäßigen Breitkomplex-Tachykardien inkl. TdP

5. Krampfanfall & Status Epilepticus

  • Video inkl. Shownotes zu Krampfanfall und Status Epilepticus
  • Video inkl. Shownotes: Nach dem Krampfanfall
  • NERDfacts zum Krampfanfall und Status Epilepticus
  • Shortcut: Ursachen eines Krampfanfalls

6. Fazit


Take Home Messages – Nerdfall 33 „Sturz in der Schule“

> „Kids Save Lives“-Projekte retten leben – vorantreiben lohnt sich!

> Der schwierige Atemweg: Proper preparation and flexibility is the secret of all professionals

– Saubere Aufgabenverteilung und Kommunikation im Team
– Ruckfallebenen immer mit vorbereiten
– Training, Training, Training unter kontrollierten Bedingungen

> Arterielle Druckpunkte können auch am Kopf (vor allem bei oberflächlichen, stark blutenden Wunden) überbrückend helfen.

> Auch Kinder können unter kardialen Erkrankungen leiden.

– Familienanamnese nicht vernachlässigen
– Manifestation z.T. erst in der Entwicklung

> Long-QT-Syndrom: Zur sauberen EKG-Befundung gehört ein kurzer Blick auf die QTc-Zeit.


Teilt natürlich gerne wieder eure abschließenden Gedanken in der Telegram-Gruppe!


Von euch erlebte Fälle, sammeln wir weiterhin hier: präklinisch und hier: innerklinisch. Wir sind gespannt!

Feedback ist jederzeit via nerdfaelle@gmail.com willkommen!

Es bestehen keine Interessenkonflikte.

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